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Wien – Kommende Woche wird das neue Mindestsicherungsgesetz im Nationalrat die erste Hürde nehmen. Der Sozialausschuss wird am Montag dank türkis-blauer Mehrheit die Reform beschließen. Damit wäre der Weg für die finale Abstimmung im Plenum frei.

Die Regierung will die Sozialleistungen für Migranten, die nicht gut Deutsch sprechen, sowie Familien mit drei Kindern und mehr kürzen. Argumentiert wird dabei unter anderem damit, dass die Leistungsträger nicht die Dummen sein dürfen. Sprich: Wer von Sozialleistungen lebt, soll nicht genauso viel oder gar noch mehr bekommen als Menschen, die täglich arbeiten.

Folgt man dieser Logik, stellt sich eine ganz grundsätzliche Frage: Sind nun die Sozialleistungen zu hoch oder Arbeitseinkommen zu niedrig? Für die Höhe der Arbeitseinkommen ganz wichtig: Wie stark fällt die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben aus?

Fundamentales Problem

Geht es nach der Industriestaatenorganisation OECD, dann hat Österreich genau hier ein fundamentales Problem: Der Faktor Arbeit ist zu hoch belastet, und die Situation ist im vergangenen Jahr sogar etwas schlimmer geworden.

Die OECD hat am Donnerstag einen Bericht über die Sozialabgaben und Lohnsteuern in ihren 36 Mitgliedsländern präsentiert. Als zentrale Kernkennzahl gilt dabei die Differenz zwischen den Bruttoarbeitskosten, die beim Dienstgeber anfallen, und dem Nettobetrag, den ein Arbeitnehmer mit heimnehmen kann. Experten bezeichnen diese Differenz oft als sogenannten Steuerkeil.

Steuerkeil wird dicker

Laut OECD ist der Steuerkeil im vergangenen Jahr um 0,2 Prozentpunkte gestiegen und liegt nun bei 47,6 Prozent. Sprich: Gibt ein Arbeitgeber 100 Euro für einen seiner Angestellten aus, nimmt der Dienstnehmer im Schnitt 52,6 Euro mit. Wo der Rest bleibt? Neben der Lohnsteuer sind es vor allem die Sozialversicherungsbeiträge, die vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlt werden, die viel ausmachen. Hinzu kommen noch weitere Posten, etwa die Arbeiterkammerumlage, der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds oder die Kommunalsteuer. All diese Zahlungen verteuern den Faktor Arbeit etwas.

Nur in vier anderen Ländern, darunter Deutschland, ist der Steuerkeil noch breiter. Die Belastung des Faktors Arbeit ist allerdings im langjährigen Schnitt relativ stabil geblieben in Österreich, im Jahr 2000 lag der Steuerkeil bei 47,3 Prozent, war also nur leicht unter dem heutigen Wert.

Diese Zahlen gelten nur für den alleinstehenden Durchschnittsverdiener. Dank steuerlicher Erleichterungen für Arbeitnehmer mit Kindern, ist deren Belastung entsprechend niedriger. Ein Beispiel: Ein Single-Arbeitnehmer muss 32,8 Prozent seines Lohnes bzw. Gehaltes in Form der Einkommenssteuer an den Staat abführen. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern sind es dagegen nur 19,6 Prozent.

Kalte Progression schlägt zu

In diese Rechnung ist der Familienbonus, der ab 2019 gilt, noch gar nicht inkludiert.

Interessant ist, dass die Belastung von Arbeit im vergangenen Jahr in Österreich gestiegen ist, obwohl die Regierung 2018 die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Geringverdiener gesenkt hat. Die schleichende Steuererhöhung für höhere Einkommen, die kalte Progression, hat das überkompensiert, sagt Dominique Paturot, einer der Steuerexperten der OECD.

In Österreich wird seit Jahren darüber diskutiert, den Faktor Arbeit zu entlasten. Als Herausforderung erweisen sich dabei allerdings vor allem die Sozialversicherungsbeiträge. Denn während die Einkommenssteuer erst ab relativ hohen Beträgen zu greifen beginnt, liegt der Freibetrag bei der Sozialversicherung bei gerade einmal 446,81 Euro.

Aktuell arbeitet die türkis-blaue Regierung an einer Steuerreform. Wie diese genau aussehen wird, ist noch unklar. Bereits diese Woche hätte ein Ergebnis präsentiert werden sollen. Allerdings haben sich FPÖ und ÖVP nicht einigen können. Zu den Zielen der Steuerreform gehört einmal mehr die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen. (András Szigetvari, 11.4.2019)