Bild nicht mehr verfügbar.

Wer Englisch beherrscht, ist klar im Vorteil, wenn es darum geht, das Programmieren zu erlernen.

Foto: Reuters

Der Tiobe-Index listet die populärsten Programmiersprachen der Welt. Angeführt wird die Rangliste derzeit von Java, gefolgt von C, C++, Python und Visual Basic .NET. Ihnen liegt eine bedeutende Gemeinsamkeit zugrunde. Ihre Befehle sind allesamt von der englischen Sprache abgeleitet, beginnend mit dem simplen "Print"-Kommando für die Ausgabe von Text am Bildschirm.

Ein Standard, der von vielen als gegeben angesehen wird. Doch tatsächlich ist der starke Fokus auf das Englische ein Problem, kritisiert die Linguistin Gretchen McCulloch bei Wired. Sie plädiert dafür, dass Programmiersprachen mehrsprachig werden.

Verwehrte Chancen

Denn das Schreiben von Code gilt allgemein als wichtige Fähigkeit im Informationszeitalter. Zahlreiche Firmen suchen händeringend nach Fachkräften für die Softwareentwicklung. Schulen und andere Lehreinrichtungen reagieren mittlerweile darauf.

Programmieren ist etwas für Jeden, lautet das Motto. Doch gerade das trifft nicht zu, sagt McCulloch. Milliarden Menschen werden um wichtige Zukunftschancen gebracht, einzig und allein, weil sie kein oder nur rudimentäres Englisch sprechen können. Doch dabei müsste das nicht so sein.

Kaum mehrsprachige Programmiersprachen

Denn eine Übersetzung einer Programmiersprache ist eigentlich einfach möglich. Für den Computer ist nicht relevant, ob eine Schleife nun mit dem Begriff "While" eingeleitet wird, oder dieser mit einem deutschen Begriff oder gar Emoji ersetzt wird. Das Ergebnis ist dasselbe, wie auch allerlei "esoterische" Programmiersprachen beweisen, die etwa auf den Wortschaft von Pikachu setzen.

Doch während es zahlreiche Tools gibt, um Code von einer Programmiersprache in eine andere zu übersetzen, gibt es praktisch keine bedeutenden Programmiersprachen, die Befehlssätze abseits des Englischen anbieten. Selbst viel gesprochene Sprachen wie Mandarin oder Spanisch finden kaum Resonanz.

Ausnahme Wikipedia

Einzelne Projekte existieren natürlich. Von Python gibt es eine chinesische Variante und ebenso auch Sprachen, in denen in Arabisch, Farsi oder Hindi programmiert werden kann, aber nur von einer Minderheit genutzt werden. Übrig bleibt aber dennoch, das selbst populäre Programmiersprachen, die nicht im englischsprachigen Raum entstanden sind – etwa Python, Ruby und Lua – offiziell ausschließlich Englisch verstehen.

Zu den wenigen bedeutenden Abweichungen zählt die Skriptsprache der Wikipedia. Wer dort etwa für den Eintrag über eine bekannte Person Dinge wie den Namen, Geburtsort und andere Informationen verewigt, kann die entsprechenden Boxen nicht nur in Englisch definieren.

Die englische Dominanz bevorzugt jene, die das Glück haben, entweder im angloamerikanischen Sprachraum aufzuwachsen oder die Sprache über Eltern oder das Bildungssystem früh vermittelt zu bekommen. Gerade für viele neue Internetnutzer aus sogenannten Schwellenländern trifft das aber nicht zu. Und selbst HTML, jene Skriptsprache die von fundamentaler Bedeutung für das Netz ist, setzt ausschließlich auf englische Befehle.

Besserung möglich

Dennoch hat McCulloch Hoffnung auf eine Besserung der Situation. Denn die heutige Situation ist grob vergleichbar mit Europa im Mittelalter. Gesprochen wurden verschiedene Sprachen, das geschriebene Wort war aber fast exklusiv dem Lateinischen vorbehalten. Die Technik des Schreibens ist aber nicht exklusiv an eine Sprache gebunden. Der Abstieg Roms, zunehmender Machtverlust für die Kirche und andere Entwicklungen führten dazu, dass dieser Standard hinterfragt wurde und auch andere Sprachen sich zunehmend in schriftlicher Form etablierten.

Eine solche Entwicklung ist auch für Programmiersprachen denkbar, dazu ist es aber auch notwendig, die den aktuellen Standard als solchen zu benennen, um ihn reflektieren zu können. Vielleicht können Webseiten in Zukunft dann auch in russischem oder Swahili-HTML geschrieben werden und Menschen Programmieren lernen, ohne dass andere ihnen durch einen unverdienten Vorteil voraus sind. (red, 12.04.2019)