Möglicherweise führt exzessiver Fernsehkonsum zu einem neuen Krankheitsbild: die TV-bedingte Demenz.

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Das verbale Gedächtnis ist dafür zuständig, sprachliche Botschaften zu erfassen und zu verarbeiten. Etwa Durchsagen am Bahnhof oder Flughafen, Wegbeschreibungen oder mündlich ausgesprochene Einladungen zu einem Fest. Es ist zentral für die Aufnahme von Informationen, die uns in Worten übermittelt werden.

Eine Studie von Forschern des University College in London zeigte, dass tägliches Fernsehen von mehr als 3,5 Stunden pro Tag bei über 50-Jährigen zum Abbau des verbalen Gedächtnisses führt. Der Untersuchung zufolge hängt das nicht nur damit zusammen, dass man beim Fernsehen sitzt und sich nicht ausreichend bewegt.

Insgesamt wurden 3.590 Probanden beobachtet, die zu Beginn der Studie über 50 Jahre alt waren und keine Demenz aufwiesen. Nach sechs Jahren wurden sie im Hinblick auf ihre kognitiven Fähigkeiten untersucht und zu ihren Fernsehzeiten befragt. Es zeigte sich ein "dosisabhängiger" Effekt: je mehr TV ein Teilnehmer schaute, desto mehr hatte das verbale Gedächtnis im Vergleich zum Ausgangswert abgebaut. Die kritische Schwelle waren 3,5 Stunden Fernsehkonsum pro Tag. Dieses Ergebnis blieb auch statistisch signifikant, nachdem bestimmte Einflussfaktoren wie Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus, sozialer Status, Berufstätigkeit und Ruhestand sowie gesundheitliche Faktoren wie Depression, Gefäßerkrankungen, Tabak- und Alkoholkonsum herausgerechnet worden waren.

Fernseh-bedingte Demenz

Die Forscher korrigierten die Befunde auch gegen das Sitzen, also den Bewegungsmangel von Menschen, die viel Fernsehen schauen. – Auch das änderte kaum etwas am Ergebnis. Der Abbau des verbalen Gedächtnisses kann den Forschern zufolge also nicht allein mit Bewegungsmangel erklärt werden.

Außerdem konnte in früheren Studien gezeigt werden, dass viel Fernsehen mit einem kognitiven Abbau einhergeht, aber andere sitzende Freizeitbeschäftigungen wie etwa im Internet surfen nicht. Forscher führen das auf die hohe Stimulanz und dem schnellen Wechsel von Sinneswahrnehmungen (Sehen und Hören) und der gleichzeitigen Passivität der Zuschauer zurück, die das Fernsehen ausmacht.

Was die Wissenschafter noch herausfanden: Es war nur das verbale Gedächtnis vom TV-Konsum-bedingen Abbau betroffen, nicht die Wortflüssigkeit, die bei Alzheimerpatienten ebenfalls stark reduziert ist. "Verschiedene Studien hatten die These aufgestellt, dass viel TV das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, fördern könnte. Alzheimer-Patienten haben aber auch kognitive Defizite jenseits des verbalen Gedächtnisverlustes. Dennoch sind diese Studienergebnisse beunruhigend, da sich möglicherweise eine ganz eigene Krankheitsentität, die TV-bedingte Demenz, entwickelt", sagt Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). (red, 13.4.2019)