Es war schon immer so in Griechenland: Rasch sieht man den Himmel offen steh'n. Die olympischen Götter, wie unmittelbar sind sie menschlichem Geschicke verwoben, wie wirkstark die Mythen. Naheliegend, die Begegnung mit dem 911er, auch der eine wahre Mythenmaschine, an Hellas' Gestade zu verlegen. Das Land der Griechen mit der Seele suchen – Goethe, Iphigenie – kann man ja auch vor Ort, und wenn der Porsche gar offen daherkommt, dem Himmel so nah, so ist das eine Gemengelage, dass einem das Herz im Leibe lacht.

Ebenbürtige Schönheiten: mit einem miamiblauen Carrera S am Saronischen Golf, und Helios lacht dazu – eine Begegnung der Mythen, könnte man sagen.
Foto: Porsche

Da sitzen wir also, sitzen in einem Wagen, auf den selbst Helios neidisch werden könnte. Dach auf, Didi? Klar doch. Unlängst hat's noch geschneit? Was kümmert uns das Wetter von gestern. Heute betrachtet uns Helios, heute wir ihn. Von Vouliagmeni, südlich des so garstig molochigen Athen, treibt es uns ans Kap Sunion – den "ersten und letzten Gruß Attikas", wie Erhart Kästner, 1936 bis 1938 Gerhart Hauptmanns Sekretär, in seinem Griechenland-Buch festhält. "Es ist die Spitze dieses Landes, die gleichsam Magnetströme aussendet." Dort am Kap weht einen zeitlose Schönheit an, mit und ohne Porsche. Hölderlin hätte hymnisch gehuldigt.

Überlegungen

"Jede der griechischen Tempelruinen hat ihre eigene, unvergessliche Farbe. Die Akropolis ist honigfarben goldgelb, Olympia von uraltem Silbergrau, Korinth hat ein stumpfes, dunkles Braun, Bassai ist bläulichgrau und fahl. Sunion allein ist schneeweiß", hat Kästner beobachtet. Dem halten wir gleich die Couleurs unseres Sonnenwagens gegenüber. Lizardgrün, Racinggelb, Lavaorange, Aventuringrünmetallic, Silbermetallic, Indischrot, Enzianblaumetallic, Carreraweißmetallic, Miamiblau. Das Weiß passt zum Tempel, das Blau zum Saronischen Meer, wir haben uns für Blau entschieden, weil Kollege Didi sich gern in Miami und auf den Keys umtut und weil es einfach lässig aussieht. Solche Überlegungen gehen einem durch den Kopf beim ersten Kaffee am Kap, gegen zehn eher unwillig vom Tavernenmundschenk gereicht, für ihn ist's, scheint es, reichlich früh.

Wir ziehen weiter, nachdem wir das alte homerische Gelächter, das Lachen des Gottes, das für sterbliche Menschen als Donner zu hören war, zu Ende gelacht haben. Respektive unser Carrera S Cabriolet. Der Donner war verhalten nur, doch vernehmlich, der 3,0-Liter-6-Zylinder-Biturbo-Boxer hat das Grollen nicht verlernt, wenn es auch dezenter klingt, politisch korrekter. Und was haben die wieder aus dem genialen Aggregat herausgeholt, die Mannen um den Österreicher August Achleitner, bis soeben Leiter der Baureihen 911/718 und nun den wohlverdienten Ruhestand antretend, wir wünschen grandiose Zeiten bis zur Apotheose ... 30 PS mehr als bisher leistet das Aggregat, neu entwickelt wurde das Doppelkupplungsgetriebe mit jetzt acht Gängen, auch dieses eine Pracht. Wie das Fahrwerk (neue Dämpfer erlauben Tieferlegung um 10 mm). Wie die Lenkung. Wie das ganze Auto. Nur der Preis ist eine Schmach.

Zwischenstand des 911er Cabrio
Foto: Porsche

Dass der 911er satter wirkt, liegt nicht am griechischen Essen, an Nektar und Ambrosia. Gegenüber dem 991 wurde Generation 992 zwei Zentimeter länger sowie, vor allem, 4,5 breiter, das durchlaufende Leuchtenband hinten zieht ihn optisch noch einmal auseinander. Nektar: 9,1 Liter schlürft der Hecktriebler S auf 100 km, 9,0 der Allradler S4. Ambrosia: Das Cabrio wurde nicht fetter, sondern liegt mit um die 1600 kg nur ganz leicht überm Vorgänger. Nicht einfach, das hinzukriegen, mit enorm viel Aufwand wurde etwa die Mischbauweise konsequent weiterentwickelt und dabei der Stahlanteil von bisher 63 Prozent auf 30 Prozent reduziert. Porsche: "Die Außenhaut besteht nun bis auf Bug- und Heckverkleidung vollständig aus Aluminium." Innen augenfällig ist speziell der Umstand, dass das analoge zentrale Kombiinstrument nunmehr von digitalen assistiert wird.

Mit dem Wind um die Wette

Theoretisch, mit über 300 km/h vmax, läuft der deutsche Klassiker mit dem Windgott Aiolos um die Wette. Wir tun das nicht, wir genießen den zarten Frühlingshauch, haben das ebenfalls neu ersonnene Dach in zwölf Sekunden versenkt und das Windschott aufgestellt, alte Herren wie wir sind am Nacken schon empfindlich, gell, Didi, wenigstens müssen wir uns um die Frisur nicht mehr viel Sorgen machen. Sie wollen noch Aiolos' Harven hören, Musikgenuss? Dann. Greifen. Sie. Doch. Zum. Burmester-Sound-System. Olympisch. (Andreas Stockinger, 17.4.2019)