Nach Omar al-Bashirs Sturz ist man von Stabilität noch entfernt.

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Khartum – Nur einen Tag nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs Omar al-Bashir ist der Präsident des neu gegründeten Militärrats im Sudan wieder zurückgetreten. Der ehemalige Verteidigungsminister Awad Ibnuf (Ibn Auf) ernannte am Freitag in einer Fernsehansprache den General Abdel Fattah al-Burhan Abdulrahman zu seinem Nachfolger.

Dieser hat die von seinem kurzzeitigen Vorgänger eingeführte Ausgangssperre wieder aufgehoben. Die Ausgangssperre hätte für für einen Monat von 22.00 bis 4.00 Uhr verhängt werden sollen. Burhan erklärte zudem, dass alle politischen Gefangenen freigelassen werden sollten. Er wiederholte auch, dass die Streitkräfte für maximal zwei Jahre regieren werden, um in der Zeit die Macht an eine zivile Übergangsregierung abzugeben. Auf den Straßen der Hauptstadt Khartum brach Jubel aus.

Monate der Massenproteste waren dem Militärputsch vorausgegangen. Demonstranten und die Zivilgesellschaft lehnten allerdings die Militärführung vehement ab. Sie fordern, dass das Militär sofort die Macht an eine zivile Übergangsregierung abtritt. Sie trotzten der Ausgangssperre und versammelten sich weiterhin zu einer Sitzblockade vor der Militärzentrale in Khartum.

Wer ist Burhan?

Das neue De-facto-Staatsoberhaupt des Sudan will von Anfang an für Klarheit sorgen: Er werde den Machtapparat des gestürzten Omar al-Bashir "mit der Wurzel ausrotten", kündigte Abdel Fattah al-Burhan am Samstag an. Burhan präsentiert sich dem politischen Wandel fordernden Volk als unbelasteter Erneuerer – doch an diesem Bild gibt es Zweifel.

Richtig ist: Burhan trat bisher politisch nicht in Erscheinung, ist außerhalb der Armee weitgehend unbekannt. Das macht ihn in den Augen der Demonstranten, die mit ihren monatelangen Massenprotesten den Sturz Bashirs herbeigeführt hatten, zu einer akzeptablen Alternative zum ehemaligen Verteidigungsminister Awad Ibn Auf.

Ibn Aufs Rücktritt katapultierte Burhan aus den Schatten an die Spitze des Landes. Der neue Militärratschef sei zwar ein "hochrangiger Offizier der Streitkräfte, aber im Grunde ist er ein altgedienter Soldat", sagte ein Armee-Offizier. Ander als Bashirs langjährige Vertraute Ibn Auf und Generalstabschef Kamal Abdelmaruf habe Burhan nie im Rampenlicht gestanden.

Karrieresoldat

Burhan wurde 1960 im Dorf Gandatu nördlich der Hauptstadt Khartum geboren. Er studierte an einer sudanesischen Militärschule und später in Ägypten und Jordanien. Im Laufe seiner Karriere diente er zeitweise als Militärattaché in Peking. Bevor Bashir ihn im Februar zum Generalinspekteur der Armee beförderte, war der dreifache Familienvater Kommandant der Bodenstreitkräfte.

Sudanesischen Medien zufolge koordinierte Burhan die Entsendung sudanesischer Truppen in den Jemen als Teil der von Saudi-Arabien geführten Allianz gegen die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen. In diesem Zusammenhang habe der General eng mit Sudans paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) zusammengearbeitet, erklärte die Sudanexpertin Willow Berridge von der Universität Newcastle. Offenbar sei er mithilfe dieser Gruppe jetzt auch an die Macht gekommen.

"Die Rolle der Rapid Support Forces – von vielen als umgemodelte Version der berüchtigten Janjaweed-Milizen gebrandmarkt, die massenweise Gräueltaten in Darfur begangen haben – wird viele auf der Hut sein lassen", sagte Berridge. Insbesondere Rebellengruppen aus Darfur, die sich in Oppositionsbündnissen engagieren, dürften demnach misstrauisch sein.

Der neue Militärratschef bemüht sich, die Sorgen der Bashir-Gegner zu zerstreuen. Vor seiner Ernennung am Freitag diskutierte er vor dem Armee-Hauptquartier in Khartum mit Demonstranten. Am Samstag versprach er in seiner ersten Fernsehansprache den Umbau staatlicher Einrichtungen, die Bekämpfung von Korruption und die Freilassung politischer Gefangener. Die Verantwortlichen für den Tod von Demonstranten bei den Protesten sollten vor Gericht gestellt werden, die nächtliche Ausgangssperre werde aufgehoben.

Ein Armee-Offizier versicherte, Burhan habe "keine politischen Neigungen, er ist ein professioneller Soldat". Als De-facto-Staatsoberhaupt wird er jedoch schon bald schwierige politische Entscheidungen treffen müssen.

Demos auch am Samstag

Auch für Samstag rief die Protestgruppe SPA zu neuen Demonstrationen auf. Der Rücktritt von Awad Mohamed Ahmed Ibn Auf sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, und das Militär habe sich damit dem Willen der Massen gebeugt, erklärte die SPA. Man werde die Revolution aber vorantreiben, bis die legitimen Forderungen des Volkes erfüllt seien. Nach anhaltenden Protesten hatte die Armee den 30 Jahre lang autokratisch regierenden Präsidenten Omar al-Baschir am Donnerstag abgesetzt und einen Militärrat als Übergangsregierung eingesetzt.

Auf der Suche nach dem sicheren Hafen

Anführer der Anti-Bashir-Proteste bezeichneten Ibnufs Rücktritt als einen "Sieg" für das Volk. Der Berufsverband SPA, der sich an die Spitze der Protestbewegung gestellt hatte, forderte Abdulrahman aber auf, "die Macht des Militärrates an eine zivile Übergangsregierung zu übergeben".

Am Freitag hatten sich trotz einer nächtlichen Ausgangssperre wieder zehntausende Männer und Frauen vor dem Armee-Hauptquartier versammelt. "Das Blut unserer Brüder darf nicht vergeblich geflossen sein", sagte ein Demonstrant der Nachrichtenagentur AFP. Nach Polizeiangaben wurden bei den Protesten in den vergangenen zwei Tagen 16 Menschen durch "scharfe Munition" getötet und 20 weitere verletzt.

Interne Angelegenheit

Der UN-Sicherheitsrat beschäftigte sich am Freitag in einer Dringlichkeitssitzung mit der Situation im Sudan, verzichtete aber nach einstündiger Beratung auf eine Erklärung. Es handle sich um eine "interne Angelegenheit" des Sudans, sagte der UN-Botschafter Kuwaits, Mansur al-Otaibi.

Der sudanesische UN-Botschafter Jasir Abdelsalam hatte im Sicherheitsrat versichert, dass der Militärrat sich damit zufriedengeben werde, "der Garant einer zivilen Regierung zu sein". Die Übergangszeit von zwei Jahren könne je nach Entwicklung auch verkürzt werden, sagte er.

Der Militärrat bat unterdessen die Nachbarländer um finanzielle Hilfe. Der Sudan benötige "Spenden", um die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen, die zu den Protesten gegen Bashir geführt hätten, sagte General al-Abdin. Treibstoff und Mehl seien in dem Land knapp.

Bashir hatte sich 1989 mithilfe von Islamisten an die Macht geputscht. Seitdem regierte er das ostafrikanische Land mit harter Hand. Gegen ihn besteht seit Jahren ein internationaler Haftbefehl wegen Völkermordes. In der Provinz Darfur wurden nach UN-Angaben seit dem Jahr 2003 im Konflikt zwischen Regierung und Rebellen 300.000 Menschen getötet. Eine Auslieferung al-Bashirs lehnen die neuen Machthaber jedoch ab. (APA, 13.4.2019)