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Der Standortverlauf

Foto: Seth Wenig / AP

Eigentlich sollte es mittlerweile allen bewusst sein: Wer ein Smartphone nutzt, der hinterlässt damit auch umfassende Datenspuren. Das gilt im Besonderen für Android-Smartphones, wo Google ein recht exaktes Bild der Bewegungen seiner Nutzer erhält – vor allem, wenn sich diese dazu bewegen lassen, optionale Features wie den "Standortverlauf" zu aktivieren. Dabei entsteht ein Datenschatz – Google-intern "Sensorvault" genannt –, den zunehmend auch Strafverfolger für sich nutzen wollen.

Behördlicher Zugriff

US-Behörden fordern in Ermittlungen zu Kriminalfällen immer öfter die Herausgabe von Standortdaten durch Google, berichtet die "New York Times". Diese Methode der Ermittlung erfreue sich bei der Polizei derzeit rasch wachsender Beliebtheit, zuletzt soll es bereits bis zu 180 solcher Anfragen an Google gegeben haben – und zwar pro Woche.

Doch nicht nur die Zahl der Anfragen steigt – auch fallen diese immer weitreichender aus. Geht es dabei doch längst nicht mehr um einzelne Personen. Eine typische Anordnung sieht so aus, dass die Strafverfolger Zeitraum und Ort definieren, für die sie dann sämtliche Smartphone-Bewegungen erhalten wollen. Für den Zugriff auf all diese Daten ist eine richterliche Anordnung vonnöten, dies scheint aber angesichts des aktuellen Volumens der Anfragen kein sonderliches Hindernis darzustellen.

Ablauf

Google hat mittlerweile ein eigenes Protokoll etabliert, um die Kommunikation mit den Behörden abzuwickeln und die Datenweitergabe zu minimieren. So werden zunächst lediglich anonymisierte Daten geliefert, mithilfe derer die Strafverfolger dann eingrenzen können, welche Geräte potenziell für ihre Ermittlung von Interesse sind. Dann erhalten sie – noch immer anonym – weitere Bewegungsdaten zu den jeweiligen Geräten. Erst danach können sie dann Details wie E-Mail-Adresse oder Name zu den zugehörigen Google-Accounts abfragen.

Kritik

So gern die Strafverfolger dieses neue Tool in ihren Ermittlungen einsetzen, so umstritten ist es auch. Rechtsexperten sehen in solch einer Form der Schleppnetzfahndung einen Verstoß gegen die US-Verfassung. Zudem bestehe die Gefahr, dass durch diese Daten erst recht Unschuldige ins Visier der Ermittlungen geraten. Die "New York Times" berichtet etwa von einem Mordfall, in dem ein Verdächtiger nicht zuletzt aufgrund dieser Standortdaten verhaftet wurde – und zu Unrecht eine Woche im Gefängnis verbringen musste.

Aber auch bei Google selbst ist man mit der Nutzung von "Sensorvault" als Strafermittlungstools alles andere als glücklich. Zwar sei es unumstritten, dass man gezielten Anfragen der Behörden nachgeben müsse, viele Richter würde aber äußerst große Bereiche in Durchsuchungsbefehlen zulassen. Zudem verweisen Mitarbeiter des Unternehmens noch auf ein anderes Problem: "Sensorvault" sei nie für solche Aufgaben konzipiert worden, die Daten seien dementsprechend auch gar nicht genau genug, um wirklich zuverlässige Zuordnungen zu erlauben.

Standortverlauf

Grundlage dieses für die Behörden so interessanten Datenschatzes ist der sogenannte "Standortverlauf". Dabei handelt es sich um ein optionales Features eines Google-Accounts, das nicht von Haus aus aktiviert ist. Da es aber für zahlreiche Google-Dienste genutzt wird, drängen Android-Smartphones öfters einmal auf dessen Aktivierung. Insofern dürfte diese Funktion auch bei vielen Nutzern aktiviert sein. Die damit gesammelten Daten werden etwa genutzt, um in Echtzeit Informationen zur Verkehrslage zu sammeln, die dann in Google Maps als Service angeboten werden. Zudem können sich die User dieser "Location History" selbst auf einer Karte anzeigen lassen, wo sie seit der Aktivierung dieses Features unterwegs waren. Über die Account-Einstellungen bei Google kann sowohl die weitere Erfassung solcher Daten deaktiviert als auch bereits gesammelte Informationen gelöscht werden.

Alternative Wege

Ganz generell sei angemerkt, dass der Standortverlauf nicht die einzige Funktion ist, über die Google Ortsdaten seiner Nutzer erfasst. So werden etwa bei Suchanfragen oder auch bei der Nutzung gewisser Apps von Haus aus solche Informationen gesammelt. Diese ergeben meist aber nur ein vergleichsweise ungenaues Bild. Zudem gibt es für die Behörden auch jenseits von Google Wege, an Standortdaten einzelner Mobiltelefonnutzer heranzukommen. Zentraler Anlaufpunkt waren dabei bisher immer die Mobilfunker, die ebenfalls ein recht gutes Bild über die Bewegung jedes einzelnen Nutzers haben. Diese Quelle scheint man aber eben nun mit Googles "Sensorvault" zu ergänzen, da dieser oft präzisere Daten liefert.

Daten ziehen Behörden an

Der Bericht ist natürlich Wasser auf die Mühlen von Privatsphärenverfechtern. Seit Jahren verweisen diese auf ein simples Prinzip, das sich "Wenn man es baut, werden sie kommen" nennt. Auf den konkreten Fall umgelegt, heißt das also: Wer massiv Daten sammelt, wird früher oder später zum Ziel von Überwachungsbehörden – ob man es will oder nicht. Insofern sei es also besser, solche Sammlungen erst gar nicht entstehen zu lassen. (apo, 14.4.2019)