Eine Frau, die eine wichtige Rolle bei einem bahnbrechenden wissenschaftlichen Fortschritt gespielt hat: Dieser Umstand scheint bereits auszureichen, um so manchen Internetnutzer zur Weißglut zu treiben. Also sieht sich die Informatikerin Katie Bouman, die an der Entwicklung jener Software beteiligt war, die die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs ermöglicht hat, seit Tagen sexistischen Angriffen ausgesetzt. Und einmal mehr spielen dabei soziale Medien eine entscheidende Rolle.

Hasskampagne

Wer in den vergangenen Tagen nach dem Namen der Wissenschafterin auf Youtube suchte, fand dabei zuoberst nicht einen ihrer Vorträge oder aktuelle News-Berichte. Stattdessen prangte dort ein Video, das einen Vorwurf gegen Bouman erhob: "Frau macht 6 Prozent der Arbeit, erhält 100 Prozent Anerkennung", titelt ein anonymer Videoautor namens "Mr. Obvious". Auch die dazu gesetzten Tags wie "progressive Agenda" oder "Wahrheit über Frauen", lassen keinen Zweifel daran, aus welcher ideologischen Ecke der Autor kommt.

So ist Katie Bouman bekannt geworden – das scheint manche zu verärgern.

Der Grund für die prominente Reihung ist dabei derselbe, für den Youtube in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik stand. Die Videoplattform setzt vor allem auf Interaktionen als zentrale Größe für die Reihung und weniger auf die inhaltliche Qualität. Und da das Video innerhalb kurzer Zeit die Runde in einschlägigen Kreisen auf Social Media machte, wurde es an diese prominente Position gespült.

Mittlerweile scheint Google hier zwar eingegriffen zu haben, das betreffende Video ist jedenfalls verschwunden. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der Name der Forscherin nun als News-relevanter Begriff gewertet wird, wodurch die Reihung anders vorgenommen wird. Trotzdem finden sich bei einer Suche nach dem Namen der Wissenschafterin etwas weiter unten in den Suchergebnissen weiter Videos mit kaum weniger problematischen Inhalten.

Widerspruch

Das Originalvideo ist inhaltlich übrigens leicht widerlegt. Darin wird die Behauptung aufgestellt, dass ein anderer Forscher namens Andrew Chael 850.000 Zeilen des Codes für die betreffende Software geschrieben hat, während Bouman nur ein paar tausend verfasst habe. Das ist allerdings faktisch nicht haltbar, wie Chael selbst auf Twitter betont. Die Software habe gar keine 850.000 Zeilen, hier habe jemand schnell Statistiken auf der Code-Plattform Github gezählt, anstatt zu recherchieren. Der allergrößte Teil davon sind nämlich Daten für die Modelle, der echte Code belaufe sich gerade einmal auf 68.000 Zeilen.

Ganz generell betont Chael auch, dass er gar nicht wisse, wie viel dieser Zeilen er geschrieben hat, und es interessiere ihn auch herzlich wenig. Zudem bittet er diejenigen, die ihm jetzt gratulieren, nur um ihre sexistische Vendetta gegen seine Kollegin zu betreiben, dass sie ihn in Frieden lassen und ihre Prioritäten im Leben hinterfragen sollten. (red, 14.4.2019)