Berlin – Im Vergleich zur Aufregung über die Suspendierung von Viktor Orban aus der konservativen europäischen Parteienfamilien EVP ging die Nachricht fast unter: Die europäischen Sozialdemokraten (SPE) haben jetzt die Zusammenarbeit mit der rumänischen Regierungspartei PSD wegen Bedenken gegen deren Politik aus Eis gelegt. "Bei Fragen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sind wir als europäische Sozialdemokraten farbenblind", sagte SPE-Generalsekretär Achim Post der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag zu Begründung. Und bei den Liberalen läuft ein Verfahren, ihrerseits die zweite rumänische Regierungspartei auszuschließen. Vor der Europawahl gehen damit die moderaten, proeuropäischen Parteienfamilien allesamt gegen die politischen "Schmuddelkinder" in Osteuropa vor.

Der Grund: Im Europawahl-Wahlkampf wollen die Mitte-Parteien mit einem energischen Eintreten für proeuropäische Werte punkten. Vor allem in Deutschland haben die Parteien deshalb keine Lust, sich von den in Umfragen bereits an zweiter Stelle liegenden Grünen ihre Allianzen mit fremdenfeindlichen, Justiz und Medien drangsalierenden Schwesterparteien vorwerfen zu lassen. "Dass die Führung der europäischen Sozialdemokraten die Beziehungen zur rumänischen PSD eingefroren hat, ist ein konsequenter Schritt", sagte SPD-Fraktionsvize Post deshalb. Und die FDP-Spitzenkandidaten Nicola Beer kündigte gegenüber Reuters wegen der rechtsstaatlichen Missstände bei der eigenen Schwesterpartei an: "Die Alde wird ihr Mitglied 'Alde Romania' ausschließen, wenn die Venedig-Kommission feststellt, dass die Vorgaben nicht umgesetzt worden sind."

Orban-Streit löste Debatte aus

Monatelang hatten die anderen Parteien vor allem CDU und CSU vor sich her getrieben. Denn Orbans ungarische Regierungspartei Fidesz hatte sich wiederholt mit antieuropäischen, sogar antisemitischen Tönen zu Wort gemeldet. Ende März verständigte sich der EVP-Vorstand dann nach langem Ringen darauf, die Mitgliedschaft von Fidesz auf Eis zu legen. Danach forderte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sofort die Sozialdemokraten auf, nun ähnlich konsequent in der SPE zu handeln.

Denn auch wenn Rumänien derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat: Die Klagen über die von Sozialdemokraten und Liberalen gestellte Regierung in Bukarest sind derart massiv, dass zuletzt auch die EU-Kommission das Land verwarnte. Nun kam noch ein Konflikt mit der obersten Korruptionsbekämpferin des Landes dazu. Schon im November 2018 hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef Müller gewarnt: "Wenn man sieht, welche Politik die PSD konkret vertritt, gegen Minderheiten, homophob, eigentlich auch anti-europäisch, dann sehen wir, dass wir in Bezug auf unsere Grundwerte auf keiner gemeinsamen Basis stehen."

Auch Liberale räumen auf

Nun hat sich die SPE für die Suspendierung entschieden. "Da geht es ums Prinzip und um die Werte der EU. Die rumänische PSD muss jetzt ohne wenn und aber die Forderungen der EU-Kommission erfüllen und sich klipp und klar zu den rechtsstaatlichen Prinzipien der EU bekennen", formulierte Post die Bedingungen, um überhaupt wieder über eine SPE-Mitarbeit zu sprechen.

Aber auch die Liberalen haben mit ihrer sehr heterogen Alde-Parteiengruppe zu kämpfen. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Liberalen die Partei des katalanischen Separatisten Carles Puigdemont ausgeschlossen. "Und wir haben die gravierenden Probleme bei 'Alde Romania' erstmals beim Alde-Kongress Anfang November 2018 in Madrid thematisiert. Sie waren erneut auf unserem Council Meeting Anfang Februar in Berlin Thema", betont Europawahl-Spitzenkandidatin Beer. Auch FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff begrüßt dies ausdrücklich.

Dahinter dürfte auch die Hoffnung stehen, dass die wenigen Stimmen zu verschmerzen sind, die die Rumänen zur Alde-Fraktion im Europäischen Parlament beisteuern. Denn die Liberalen hoffen, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner Bewegung En Marche am Ende zu einer Kooperation bereit ist. Die Chancen steigen, wenn die rumänische Partei nicht mehr an Bord ist.

Doch einfach ist die Debatte für keine Parteiengruppe. In der EVP-Debatte über Orban war auch gewarnt worden, dass dieser sich vielleicht dem Klub der Rechtspopulisten in der EU anschließen könnte. Außerdem gibt es Bedenken, dass sich die Osteuropäer im nächsten Europäischen Parlament zu einem Regionalblock zusammenschließen könnten. Widerstand gegen die EU-Flüchtlingspolitik oder umstrittene Justizreformen gibt es schließlich in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei oder eben Rumänien. FDP-Politiker Lambsdorff winkt jedoch ab: "Man darf nicht vergessen, dass 'Osteuropa' kein Monolith ist." Es gebe politische und persönliche Antipathien, die eine solche Blockbildung verhinderten. (Reuters, 15.4.2019)