Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, sollte das dem Anästhesisten sagen.

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Patienten, die regelmäßig Cannabis konsumieren, haben bei medizinischen Eingriffen einen höheren Bedarf an Narkosemitteln. Von Propofol, das etwa zur Sedierung vor Magen- oder Darmspiegelungen eingesetzt wird, kann mehr als die zweifache Dosis nötig sein, berichten Forscher um Mark Twardowski von den Western Medical Associates in Grand Junction (Colorado, USA) im "Journal of the American Osteopathic Association".

"Cannabis hat einige Stoffwechseleffekte, die wir nicht verstehen. Die Patienten müssen wissen, dass ihr Cannabiskonsum andere Medikamente möglicherweise weniger wirksam macht", sagt Studienleiter Twardowski.

Seit 2012 kann im US-Bundesstaat Colorado Cannabis legal konsumiert werden. Auch in neun weiteren US-Bundesstaaten ist die Einnahme erlaubt. Diese gesetzlichen Änderungen haben dazu geführt, dass der Konsum von Cannabisprodukten in den USA von 2007 bis 2015 um 43 Prozent gestiegen ist.

Mehr Fentanyl, Midazolam und Propofol

Twardowski führt an einem Krankenhaus in Grand Junction Darm- und Magenspiegelungen durch. Er und sein Forscherteam wählten aus 1.158 Patienten der Jahre 2016 und 2017 nach dem Zufallsprinzip 250 aus, von denen 25 einen regelmäßigen Cannabiskonsum angegeben hatten. Es folgte ein Abgleich der bei den medizinischen Eingriffen verwendeten Mengen an Narkosemitteln mit den Angaben der Patienten über die Einnahme von Cannabisprodukten, Alkohol, Benzodiazepinen und Opiaten.

Die Wissenschafter fanden heraus, dass Patienten, die täglich oder wöchentlich Cannabis konsumiert hatten, im Mittel 14 Prozent mehr Fentanyl – ein synthetisches Opioid, das als Schmerzmittel in der Anästhesie und zur Therapie akuter beziehungsweise chronischer Schmerzen eingesetzt wird – benötigten. Bei Midazolam, einem kurzwirksamen Benzodiazepin, das schlaffördernd und beruhigend wirkt, war im Schnitt eine Dosissteigerung um 20 Prozent notwendig. Von Propofol mussten rund 220 Prozent mehr (44,81 statt 13,83 Milligramm) verabreicht werden, um eine optimale Sedierung vor Routineeingriffen wie der Koloskopie zu erzielen.

Narkosemittel werden schneller abgebaut

Überraschend sei das Ergebnis nicht, sagt dazu Götz Geldner, ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum in Ludwigsburg. Dass Patienten, die psychoaktive Substanzen wie Alkohol zu sich nehmen, mehr Narkosemittel benötigen, sei unter Anästhesisten schon lange bekannt, erklärt der nicht an der Studie beteiligte Mediziner. In einem von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin empfohlenen Patientenfragebogen wird seit etwa zehn Jahren auch nach dem Drogenkonsum gefragt.

Geldner weist darauf hin, dass genaue Ergebnisse nur mit dem Messen von Substanzen aus der Cannabispflanze im Blut zu erhalten sind. "Wenn die Leber häufig mit Cannabinoiden oder Alkohol zu tun bekommt, steigert sie ihre Entgiftungsfunktion", erklärt er. In der Folge würden auch Narkosemittel schneller verstoffwechselt. Neben Drogen und Alkohol beeinflussen demnach auch Tranquilizer und andere Psychopharmaka die Wirksamkeit von Narkosemitteln.

"Diese Studie ist ein kleiner erster Schritt", sagt Twardowski. Nun soll in einer Folgestudie ermittelt werden, welche Dosis zur Sedierung und Anästhesie für gelegentliche Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Nichtkonsumenten notwendig ist. (red, APA, dpa, 16.4.2019)