Forscher untersuchen ein megalithisches Grab in Irland. DNA-Analysen erhellen nun, wer neben diesen großen Steinen die letzte Ruhe fand.
Foto: Göran Burenhult

Der Ursprung der uralten Steinstrukturen ist ebenso mysteriös wie ihre Bedeutung und ihr "Inhalt". Die Wissenschaft geht davon aus, dass man vor rund 6.500 Jahren in der Gegend des heutigen Frankreichs damit begann, riesige Steine (Megalithen) anzukarren und in deren Nähe die Verstorbenen zu bestatten. Vom Nordwesten Kontinentaleuropas verbreitete sich diese Tradition der Dolmen dann über weite Teile des Kontinents bis hin nach Großbritannien, Skandinavien und Mitteleuropa.

Aber wer waren die Menschen, die auf diese Weise ihre Verstorbenen begruben? Und wer lag in den Gräbern? Solchen alten Fragen ging ein internationales Wissenschafterteam um Mattias Jakobsson (Universität Uppsala) mit neuesten Methoden nach. Die Forscher nahmen sich für ihre Untersuchung im Fachblatt "PNAS" fünf Gräber in Irland, Schottland, der Tschechischen Republik und Schweden vor.

Die Ansarve Dolmen auf der schwedischen Insel Gotland. Dort wurden Angehörige der Sammler- und Jägerkulturen bestattet und noch keine frühen Bauern.
Foto: Magdalena Fraser

24 Skelette in fünf Gräbern

Im ersten Schritt gewannen sie aus den Knochen von insgesamt 24 der darin begrabenen Individuen DNA, um diese zu sequenzieren und zu analysieren. Zu diesem Zweck verglichen sie die gewonnen Daten mit bereits vorhandenen paläogenomischen Daten anderer Europäer. Dabei zeigte sich eine große Ähnlichkeit mit frühen Bauern, die aber auch noch genetische Vermischungen mit ältere Jägern und Sammlern aufwiesen. Eine Ausnahme war nur das untersuchte Steingrab auf der schwedischen Insel Gotland: Hier waren eindeutig Jäger und Sammler begraben.

Vergleiche zwischen den DNA-Proben zeigten, dass an den fünf Standorten jeweils Mitglieder einer Familie bestattet worden waren: Die Forscher rekonstruierten durchwegs Verwandtschaftsverhältnisse ersten und zweiten Grades. In Irland, wo die Forscher zwei Gräber analysierten, die nur zwei Kilometer voneinander entfernt lagen, erstreckten sich die Verwandtschaftsbeziehungen zudem auf beide Gräber.

Das Dolmen-Grab von Carrowmore in Irland.
Foto: Göran Burenhult

Patrilineare Gesellschaften

Die irischen Dolmen lieferten zudem besonders wertvolle Aufschlüsse: Jakobsson und seine Kollegen stellten nämlich eine Kontinuität der väterlichen genetischen Merkmale fest, die bis zu zwölf Generationen umfasste. Das deutet für die Forscher darauf hin, dass die damaligen neolithischen Gesellschaften und Familien eindeutig patrilinear geprägt waren – jedenfalls auf den Britischen Inseln, wo die untersuchten Gräber fast nur Männer enthielten.

Für Federico Sanchez-Quinto, einen der Erstautoren, zeige die Studie, dass archäogenomische Methoden nicht nur die großen Migrationen erhellen können, sondern auch völlig neue Aufschlüsse über die Mikrostrukturen der damaligen Gesellschaften liefern können. Es seien aber weitere Untersuchungen nötig, um etwa die These der Patrilinearität bestätigen zu können.

"Großer Austausch" in Großbritannien

Für eine weitere Untersuchung, die ebenfalls am Montag im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" erschien, nahm ein Team um Mark Thomas (University College London) mit ähnlichen Methoden noch einmal neolithische Migrationen in Großbritannien unter die Lupe, konkret: populationsgenetische Veränderungen im Zeitraum zwischen 2500 bis 8500 Jahre vor unserer Zeitrechnung.

Die Analyse der genomweiten Daten von sechs mesolithischen und 67 neolithischen Individuen bestätigte zum einen, dass die neolithische Bevölkerung in Großbritannien hauptsächlich von ägäischen neolithischen Bauern abstammt. Laut den Analysen gab es zum anderen nur wenige Vermischungen zwischen den mesolithischen Briten und den neolithischen Zuwanderern, die für die Einführung der Landwirtschaft in Großbritannien sorgten.

Auffällig sind zudem erhebliche genetische Ähnlichkeiten zwischen britischen und iberischen Individuen des Neolithikums, was darauf hindeutet, dass die bäuerlichen Zuwanderer auf einer Route entlang des Mittelmeers unterwegs waren. (Klaus Taschwer, 16.4.2019)