Arbeitet man wie ich innerhalb des Fachs Ägyptologie auch aktiv auf Grabungen in Ägypten und im Sudan, dann hört man sehr häufig Sätze wie "Ah, kommst du wieder aus der Sonne, du hast es so gut", "Du entkommst dem Büroalltag ja mal wieder!", "Ach, mit dir würde ich gern tauschen!".

Hab ich es denn gut? Absolut – ich bin nun auf dem dritten Forschungsaufenthalt in Ägypten seit Beginn der Semesterferien Anfang Februar und hatte tolle Zeiten bei Projekten in Luxor, Elephantine und nun Abydos. Über die Osterfeiertage bin ich wieder zu Hause, und dann beginnt auch schon das Semester in München. Von der vorlesungsfreien Zeit habe ich den Großteil für Forschung und auf Achse verbracht. Ein absoluter Luxus, aber dennoch möchte ich doch mit ein paar kleinen Vorurteilen aufräumen, mit dem Ziel, den realen Alltag auf Grabungen ein bisschen zu veranschaulichen – denn damit alles reibungslos läuft, braucht es eine ganze Menge an Organisation und Verwaltung im Hintergrund.

Grabung ist immer aufregend

Selbstverständlich, denn Archäologie und Ausgrabungen sind mit der Freilegung von Strukturen verbunden. Anders als bei Indiana Jones und Schatzsuchern beginnt unsere Arbeit aber erst mit den Entdeckungen und ganz konkret nach der Grabung. Die Grabung selbst ist quasi die Kür, die ganze Pflicht drumherum ist viel zeitintensiver und genauso wichtig, wenn auch meist weniger prickelnd. Die Nachbereitung und besonders die essenzielle Publikation einer Grabung nimmt viel Zeit in Anspruch, passiert manchmal sogar erst Jahre nach der Ausgrabung. Würde ich hier wirklich einen Durchschnittstagesablauf auf Grabungen oder sogar der Nachbereitung im Detail schildern, liefe ich Gefahr, dass einige Leserinnen und Leser wegklicken oder sich zumindest fadisieren. Es geht um viel Routine, viel Wiederholen, viel Sortieren, viele Statistiken, viel Organisieren, viele Geduldsproben – letztere besonders bei Grabungen im Orient, wo ein gewisses Maß an Flexibilität unbedingt dazugehört.

Grabung ist Erholung vom Büroalltag

Schön wäre es – aber die Zeiten, in denen wir uns im Feld von sonstigen Verpflichtungen ausklinken, sind längst vorbei. Selbst in Regionen ohne Stromversorgung finden sich hier Lösungen. Durchs Smartphone ist man auch im Grabungsschnitt und im Magazin für die ganze Welt erreichbar, mit den diversen Videotelefoniemöglichkeiten funktionieren sogar Beratungsgespräche und Termine aus der Heimat auf Grabung. Der Büroalltag von zu Hause holt einen vor allem durch die täglichen E-Mails ein – und die Beantwortung gehört neben den neun bis zehn Arbeitsstunden auf Grabung gut geplant. Wofür im realen Alltag jede Menge Zeit vorhanden ist, das muss auf Grabung eben nebenbei erledigt werden, was meist auf die Abend- beziehungsweise Nachtstunden hinausläuft.

Darüber hinaus bringt auch eine Grabung sehr viel Verwaltung mit – abgesehen von der Vorbereitungsphase dann vor Ort beispielsweise Abrechnungen und Einkaufslisten für Lebensmittel und Material, Essenspläne fürs Team, Zimmerbelegungspläne, Kalender fürs Taxiservice für An- und Abreisen, die Planung von Besuchen und Führungen und natürlich die reale Datenverwaltung wissenschaftlicher Ergebnisse durch Datenbanken. Ohne Listen und Tabellen klappt wenig auf Grabungen. Diesem administrativen Aufwand zum Trotz arbeitet man bei der eigentlichen Grabung praktisch, körperlich, mit Dingen – das ist schon so etwas wie Büroalltag im Freizeitgewand, in der Regel außerdem bei schönem Wetter und mit viel frischer Luft.

Die Natur und die Schönheit Ägyptens machen das Land zu etwas ganz Besonderem für Ausgrabungen. Hier der Nil am Ersten Nilkatarakt bei der Insel Elephantine.
Foto: Julia Budka

Grabung ist wie Urlaub

Jein – wenn es ideal läuft, dann stimmt das schon ein wenig für Teammitglieder; für das Leitungspersonal schaut es freilich anders aus, und Arbeitstage sind selten kürzer als zwölf Stunden, meist eher 14 bis 16 Stunden lang; besonders aufgrund des erwähnten Verwaltungs- und Organisationsaufwands. Grundsätzlich sind Kernarbeitszeiten auf Grabungen von sieben bis 17 Uhr, manchmal startet man noch früher in den Tag, und Dinge wie Abrechnungen passieren in der Regel abends. Ein Tag pro Woche ist aber frei (Freitag in islamischen Ländern) – Zeit, um einfach mal auszuschlafen und herauszukommen aus dem Grabungsalltag. Dann kommt schon so etwas wie Urlaubsfeeling auf, vor allem wenn man tolle Sehenswürdigkeiten wie Luxor besichtigen, im Nil bei Kaiserwetter paddeln oder mit dem Mountainbike in die Wüste radeln kann. Dass die Daheimgebliebenen neidisch auf diese kurzen Auszeiten in grandioser Landschaft sind, ist also nachvollziehbar und total legitim.

Ausgrabungen an Touristenplätzen wie Luxor besitzen den großen Vorteil, dass die Grabung mit Sightseeing kombinierbar ist, hier der Tempel von Medînet Hâbu.
Foto: Julia Budka

Wie, du bist ja gar nicht braun geworden?

Mit der Annahme, dass Archäologinnen und Archäologen aus Nordostafrika immer braungebrannt heimkehren, kann ganz schnell aufgeräumt werden: Die klassische Archäologenbräune ist auf Hände, Unterarme und Nacken beschränkt. Als Erkennungsmerkmale dienen manchmal auch von der Sonne verbrannte Nasen und Ohren. Zu bedenken ist außerdem, dass ja viele Ausgrabungen in Gräbern, also unterirdisch, stattfinden – nicht selten irritiert die dann komplett fehlende Bräune nach zwei Monaten das Umfeld bei der Rückkehr.

Doping für den Uni-Alltag

Was man selten hört, was aber irgendwie in den hier genannten Vorurteilen drinnensteckt: Feldaufenthalte, konkret Grabungen geben trotz Stress, Verwaltungs- und Arbeitsaufwands einen unglaublichen Energieschub, den ich persönlich mittlerweile auch gut in den Büroalltag zu Hause retten kann. Dabei hilft auch, dass man daheim dann nicht mehr drei Mahlzeiten, Klopapier, Taxi und sonstiges für zehn Leute organisieren muss, sondern wieder autark ist, auch was den Speiseplan und die Essenszeiten betrifft. Und eben voller positiver Energie dank den anderen Alltags, den ich definitiv nicht missen möchte. (Julia Budka, 17.4.2019)