In einem der charmantesten Pawlatschenhöfe des 19. Bezirks geht es jetzt auf sichuanesische Art hoch her.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dan Dan Mian, die legendären Nudeln in scharfer Sauce.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Sammer war eine Döblinger Institution, ein gutbürgerliches Restaurant mit täglich frisch geschriebener Speisekarte und gekiestem Gastgarten unter alten Bäumen. Ist halt schon deutlich mehr als 20 Jahre her. Und wie so oft bei Wiener Wirten von Format, vom legendären Koranda auf der Wollzeile (heute ein Plachutta-Outlet) bis zum Königsbacher auf der Walfischgasse (detto) oder dem mythischen Stadtkrug auf der Weihburggasse (nach Jahrzehnten als Italiener nunmehr eine Burgerbude): Es kommt nix besseres nach.

Beim Sammer hat es zwar ewig gedauert, inklusive etlicher missglückter Versuche von Edelrestaurant bis zu italienischer Sandwichbude – jetzt aber wurde doch noch etwas draus. Der charmante Garten ist längst ein privates Refugium der immer noch im Haus wohnenden Sammers, der entzückende Pawlatschenhof aber wird von einem frisch eingezogenen China-Restaurant schon wieder bespielt.

Reservierung empfohlen

Dass der Koch und Betreiber Zhao Chong Wu ganz andere Sachen draufhat als das übliche Panasia-Potpourri aus Sushi, grünem Curry und Hendl-Wok, scheint sich in der Gegend schon herumgesprochen zu haben. Speziell zum Wochenende hin muss man ohne Reservierung oft einmal vor der Tür warten. Chef Zhao hat die vergangenen drei Jahre im China Sichuan beim Donaupark gekocht. In seinem ersten eigenen Restaurant geht er mit Aromen und Chili-Einsatz deutlich mutiger um, als dies an seiner alten Adresse gewünscht war.

Dan Dan Mian zum Beispiel (siehe Bild), die legendären Nudeln in scharfer Sauce mit Sichuanpfeffer, Chiliöl, eingelegten Senfstielen und knusprig gebratenem Schweinsfaschiertem, sind ein großartiger Einstieg in ein Festmahl der fernöstlichen Art.

Oder mit Hendl gefüllte Chaoshu in pikantem Öl mit fermentierten schwarzen Bohnen und Jungzwiebeln: Die Teigpölsterchen flutschen herrlich und schmecken viel zu gut, als dass man die vier Stück der Vorspeisenportion teilen möchte – obwohl das dem Prinzip so eines chinesischen Essens entspräche.

Wantan in milder, köstlich aromatischer Hühnersuppe mit Pak Choi und Seetang sind aber auch verdammt gut und wärmen noch dazu von innen, wenn sich abends der Tau über den Hof legt. Salat aus Lotuswurzeln wird mit getrocknetem, frittiertem Chili und reichlich Sichuanpfeffer aufgehusst und ist nur halb so scharf, wie die Vielzahl der Schoten vermuten lässt – erfrischend, knackig, sehr gut.

Köstliche Schweinerei

Heilbutt in der Gusseisenpfanne, zwei dicke, samt der schlabbrigen Haut an der Gräte gegarte Scheiben zartblätternden weißen Fleischs, wird mit fermentiertem Gemüse im typisch sichuanesischen Chiliöl aufgetragen – gut abtropfen lassen!

Mit Tee geräucherte, knusprige Ente samt gedämpften Germbrötchen, Hoisin-Sauce und Frühlingszwiebeln ist immer ein Bringer, speziell wenn Kinder mit am Tisch sind – ganz so fein, wie Meister Xiao in Gersthof sie in seinen besten Zeiten zu servieren wußte, gerät sie aber nicht.

Besser: Hui-Guo-Rou, erst gekochtes, dann gebratenes und mit fermentierten Bohnen gewürztes Bauchfleisch mit Frühlingszwiebeln und Paprika, eine der definitiv köstlichen Schweinereien der Sichuan-Küche.

Gemüse kann Zhao aber auch: Karfiol zum Beispiel, gerade noch knackig, mit reichlich Kreuzkümmel, Sichuanpfeffer und anderen Aromaten im roten Öl versenkt, duftet schon von weitem so gut, wie er dann schmeckt. Oder Fisolen Gan-Bian, im Wok mit ein wenig Faschiertem knusprig gebraten, zum Zungenverbrennen gut.

Und hinterher? Gibt's Tichys Eismarillenknödel. Oder man geht nach nebenan, wo eins der vielen neuen Veganista-Eisgeschäfte aufgesperrt hat – und stellt sich ziemlich lange an. (Severin Corti, RONDO, 19.4.2019)

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