Josef Weidenholzer redet Klartext.

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London/Straßburg – Durchaus unterschiedlich sehen österreichische EU-Abgeordnete die chaotischen Brexit-Entwicklungen. Der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas sagte Dienstag in Straßburg, es werde zu viel über den Brexit geredet, der zu viele Ressourcen binde. Der SPÖ-Europamandatar Josef Weidenholzer meinte klipp und klar: "Es wird keinen Brexit geben".

Der FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky bezeichnete die Briten als "orientierungslos". Die grüne Europamandatarin Monika Vana wiederum war mit der jüngsten weiteren Verschiebung des Brexit nicht einverstanden und meinte, dass damit "die Erpressung der EU" weiter gehe.

Karas sagte, "die EU kommt kaum noch dazu, sich mit den wirklich wichtigen Zukunftsfragen zu beschäftigen. Wir reden viel zu viel über den Brexit und viel zu wenig darüber, wie Europa mit Digitalisierung, Klimawandel, Migration und Globalisierung umgehen soll. Der Brexit bindet viel zu viele Ressourcen. Das muss aufhören." Sein Parteikollege Heinz Becker meinte, die Briten würden austreten, die Frage sei wann.

Briten als "Pragmatiker"

Weidenholzer verwies darauf, dass die Labour-Partei ein "confirmatory vote" ankündigen werde. Er setze auch darauf, dass die Briten "Pragmatiker sind. Ein Europa ohne Großbritannien ist kein wirkliches Europa". Die Briten seien "Teil unserer Identität", ein Ausscheiden "würden wir wirklich schwer verschmerzen". Jedenfalls sei sicher, dass die Briten bei den EU-Wahlen teilnehmen.

Vilimsky erklärte auf die Frage, ob die FPÖ bei der Suche nach einer großen Fraktion der Europakritiker nach der Wahl neben Franzosen und Italienern auch mit Ungarn und Polen sowie mit britischen Politikern verhandeln wollten, dass "die Briten nicht nur in der Frage Brexit, sondern auch der Fraktionsbildung sehr orientierungslos" seien. Selbst wenn die Konservativen mit den Tories blieben, sieht Vilimsky darin ein "totes Pferd. Jeder weiß, die formieren sich im Juli und gehen im Oktober ab. Da gibt es vielleicht eine Verzögerung von wenigen Monaten".

Vana bezeichnete die nun gefundene "Verlängerung" für den Brexit als "nicht wirklich wünschenswert. Das ist vollkommen absurd gelaufen. Drei Jahre haben die Briten Zeit, die erpressen quasi die EU." Dies sei demokratiepolitisch bedenklich. Es sei auch "absurd, wenn die Briten an den EU-Wahlen teilnehmen". Ihr Delegationskollege Thomas Waitz sprach sich dafür aus, den Brexit vor den EU-Wahlen durchzuführen. Andernfalls gebe es ein Chaos und unklare Situationen. Jedenfalls sei es den Briten mit der Verlängerung gelungen, die EU in ihrer Verhandlungsposition zu schwächen.

Tusk verteidigt Verschiebung

EU-Ratspräsident Donald Tusk verteidigte die Verschiebung des Brexit-Datums. Der Aufschub bis zum 31. Oktober erlaube es der EU, sich auf andere wichtige Themen wie den Handel mit den USA zu konzentrieren, sagte er am Dienstag in Straßburg. Zugleich sorge die Verschiebung dafür, dass es vorerst nicht zu einem ungeregelten Brexit komme.

Auch hätten die Briten so weiter alle Optionen auf dem Tisch. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, den Austritt aus der EU grundsätzlich zu überdenken. In diesem Zusammenhang übte Tusk auch Kritik an Politikern wie Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Er hatte beim EU-Gipfel vergangene Woche dazu aufgerufen, nicht davon zu träumen, dass die Brexit-Entscheidung noch rückgängig gemacht werden könnte. "Ich würde sagen, dass wir in diesen eher schwierigen Zeiten unserer Geschichte Träumer und Träume brauchen", erklärte Tusk. Zumindest er werde nicht aufhören, von einem besseren und vereinten Europa zu träumen.

"Ich weiß, dass auf beiden Seiten des Ärmelkanals jeder erschöpft vom Brexit ist", sagte Tusk vor den Europaabgeordneten. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass man sage, der Brexit müsse nun einfach über die Bühne gebracht werden. "Egal was passiert, wir sind durch das gemeinsame Schicksal vereint und wollen auch in Zukunft Freunde und enge Partner bleiben", erklärte Tusk.

Juncker will EU durch Brexit nicht ausbremsen lassen

"Der Brexit ist nicht die Zukunft der EU", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Die Zukunft gehe weit darüber hinaus. "Es kann nicht sein, dass er uns bei unseren großen Prioritäten ausbremst." Die Staatengemeinschaft stehe vor strategischen Herausforderungen und dürfe deshalb nicht nachlassen in ihrem Reformeifer, so Juncker.

Als nächstes müsse die strategische Ausrichtung der EU für die kommenden Jahre auf dem Gipfel im Mai im rumänischen Sibiu festgelegt werden. Zudem müssen nach den EU-Wahlen Ende nächsten Monats noch die Spitzenämter in der Union neu besetzt werden, betonte der EU-Kommissionspräsident. Und bis Oktober müsse der neue langfristige Haushalt der EU entschieden werden. Die Einigung sei wichtig, um laufende EU-Programme wie etwa in der Forschung nahtlos zu finanzieren. (APA, 16.4.2019)