Die Faustregel ist keine Überraschung: Je dicker die Substratschicht, desto größeres Gemüse lässt sich auf dem Dach anpflanzen. Kräuter wachsen schon in einer nur ein paar Zentimeter hohen Spezialsubstratschicht; wer Bäume auf dem Dach pflanzen will, muss um einiges dicker auftragen.

Substrat? Ja, denn auf dem Dach darf es keine gewöhnliche Universal- oder Hochbeeterde aus dem Baumarkt sein. Ein Spezialsubstrat muss her, das meist Ziegelsplitt enthält und somit einerseits gut durchlüftet bzw. gut durchwurzelbar ist, andererseits viel Wasser aufnehmen kann.

Von einzelnen Hochbeeten bis hin zum Gemeinschaftsbeet für alle: Die Buwog probiert unterschiedliche Konzepte der Dachgartengestaltung aus.
Foto: Buwog

Planung eines Gründachs

Wie ein solches Gründach genau geplant und gebaut werden muss, ist in Österreich seit 2010 in der Önorm L 1131 geregelt, erklärt der Landschaftsplaner Joachim Kräftner. Er hat schon zahlreiche Wiener Dächer begrünt, oft jene von Wohnbauten, manchmal aber auch die Dächer von Gewerbebauten oder Schulen.

Die Önorm unterscheidet zwischen extensiver und intensiver Begrünung. "Extensiv" bedeutet, dass das Dach niederwüchsig bepflanzt wird und nicht zur Begehung durch Bewohner vorgesehen ist, sondern als ökologische Ausgleichsfläche, zur Kühlung des Gebäudes, zur Speicherung von Regenwasser und zur allgemeinen Verbesserung des Mikroklimas dient. Solche Dachgärten werden meist auf Industriegebäuden, Einkaufszentren oder Garagen geschaffen, sie brauchen kaum Pflege und werden meist mit Stauden oder Gräsern bepflanzt.

Chillen im Grünen

"Intensiv" bedeutet, dass die Benützung durch die Bewohner erwünscht ist und dass diese somit auch die Möglichkeit haben sollen, selbst auf dem Dach zu garteln. Solche Mieterdachgärten werden im Wohnbau seit einiger Zeit immer öfter gleich mitgeplant. So befindet sich beispielsweise auf dem Dach des Wohn- und Kulturprojekts Sargfabrik im 14. Wiener Bezirk ein rund 1000 Quadratmeter großer Dachgarten, in dem gegartelt, gechillt und gegrillt werden kann. Eine Liegewiese, Obstbäume und Beerensträucher sind dort ebenfalls vorzufinden.

Foto: Franz Gleiß

Seit fünf Jahren gibt es etwas ganz Ähnliches auch auf dem Dach der Buwog-Wohnanlage Oase 22 in Wien-Donaustadt. Für die Begrünung des Dachs war hier der Landschaftsplaner Kräftner verantwortlich. Die Buwog, einer von drei Bauträgern der Oase 22, setzte das Garteln auf dem Dach damals erstmals um. Mit anfangs nicht allzu großen Erwartungen, sagt der Manager Michael Herbek. "Unserer Erwartungen wurden aber schließlich weit übertroffen, es haben sich viel mehr Mieter als gedacht für das Garteln auf dem Dach interessiert." Mittlerweile wurde der Garten in die Eigenverantwortung der Bewohner übergeben.

Gemeinschaftlich beackern

Bei der Oase 22 wurde ein großes, gemeinschaftlich zu beackerndes Beet geschaffen, dazu ein Glashaus zum Überwintern und Vorziehen der Pflanzen im Frühling. Die Dachbegrünung ist aber aus Sicht der Bewohner nicht nur wegen der Möglichkeit des intensiven Gartelns zu begrüßen. "Ein begrüntes Dach kühlt das Gebäude im Sommer, erhöht die Luftfeuchtigkeit durch Verdunstung und dient als Regenwasserspeicher", so Herbek. Die erhöhten statischen Anforderungen an das Gebäude und der für das Garteln notwendige mehrschichtige Dachaufbau würden aber natürlich für Mehrkosten sorgen.

Auch Kräftner weist darauf hin, dass ein begrüntes Dach "ein Trend, aber auch ein Kostenfaktor" sei. Das Spezialsubstrat, das auch wegen des geringeren Gewichts verwendet werden muss, ist teurer als die gewöhnliche Erde aus dem Baumarkt. Das ist aber noch die geringste finanzielle Herausforderung. Zu beachten sind vielmehr natürlich vor allem die Statik, der Brandschutz (vertrocknete Pflanzen können hier eine bedeutende Gefahrenquelle darstellen), der möglichst optimale Schutz vor den Kräften des Windes sowie die nötige Bewässerung eines Dachgartens. Durch die meist starke Sonneneinstrahlung ist der Wasserbedarf der Pflanzen mitunter wesentlich höher als zu ebener Erd'.

Foto: Office Le Nomade

Problemfelder

Wird das alles bei einem Neubau von Anfang an mitgeplant, sind die Mehrkosten überschaubar. Nachträglich ist es schwierig zu schaffen; die Statik und die oft bereits mangelhafte Abdichtung der oberen Geschoßdecke sind die häufigsten Problemfelder im Bestand, erzählt Kräftner.

Allerdings hat ein begrüntes Flachdach meist auch eine längere Lebensdauer als ein nicht begrüntes Flachdach, darauf weisen Experten hin. Dazu kommen die erwähnten positiven Auswirkungen auf die energetische Qualität des Hauses; der Kühlbedarf im Sommer reduziert sich, der Wärmebedarf im Winter ebenfalls.

Erhebliches Potenzial

Rein nach Flächen betrachtet wären in Wien natürlich noch sehr viele Dachgärten im Bestand möglich. Schon 2011 erhob die Stadt erstmals das Potenzial für die Begrünung von Dachflächen mit einer Neigung bis 20 Grad. Damals kam heraus, dass von den insgesamt gut 5400 Hektar Dachflächen ein knappes Drittel geeignet wäre. Das größte Potenzial wurde in Flächenbezirken wie Liesing oder Donaustadt ausgemacht, aufgrund der dort häufiger vorzufindenden Betriebs- und Industriebauten.

Auch in den inneren Bezirken gäbe es aber immer wieder "Strukturen aus vielen kleineren begrünbaren Flachdächern auf Wohngebäuden". Im ersten Bezirk wurde etwa ein Gründachpotenzial von neun Hektar eruiert (bei einer gesamten Dachfläche von 133 Hektar), in der Leopoldstadt waren es 44 von 245 Hektar. Die Daten sind aber, wie erwähnt, in die Jahre gekommen, beim Verband Grünstattgrau.at (ehemals Verband für Bauwerksbegrünung) hält man deshalb eine Aktualisierung für dringend nötig.

Die Buwog hat gerade einen Dachgarten in einem Flächenbezirk in Bau. In Liesing arbeitet man am Projekt Ernte Laa, wo man auch die Erfahrungen aus dem Oase-22-Projekt einbringen will. Dort wird es laut Herbek gleich drei Glashäuser auf dem Dach geben, eines davon wird sogar mit einer Gemeinschaftsküche ausgestattet werden. Rund einen Quadratmeter an Dachgarten-Beetfläche pro Bewohner hat man einkalkuliert. Im kommenden Jahr werden die Wohnungen in der neuen Wohnanlage in Liesing an die künftigen Bewohner übergeben. Dann kann es auch dort losgehen mit dem Garteln auf dem Dach. (Martin Putschögl, 5.5.2019)