Regierungschef Benjamin Netanjahu (Plakat) am Weg zur nächsten Amtszeit?

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Vieles wird nach den Parlamentswahlen in Israel beim Alten bleiben: Der Premier wird – mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit – Benjamin Netanjahu heißen, und seine Regierung wird weiterhin eine rechte, religiöse und nationale sein. Neu ist allerdings der Prozess hin zur Regierungsbildung: Erstmals machte Präsident Reuven Rivlin die Gespräche mit den jeweiligen Fraktionen am Montag und Dienstag öffentlich: Per Livestream konnte die Nation verfolgen, wie Rivlin sich mit den Vertretern der ins Parlament gewählten Parteien traf und sich anhörte, wen sie als zukünftigen Regierungschef empfehlen. Ein Prozess, der bisher hinter verschlossenen Türen stattfand. "Historisch und bahnbrechend" nannte das Büro des Präsidenten die Entscheidung.

Am Ende entscheidet Rivlin, welchen Kandidaten er mit der Regierungsbildung beauftragt. Im Wahlkampf hatte Netanjahu behauptet, Rivlin suche nur nach einer Entschuldigung, um seinem Herausforderer Benny Gantz das Mandat zur erteilen. Rivlin wehrte sich gegen die Vorwürfe – und setzte wohl auch deshalb nun auf Transparenz.

Dabei waren keine Überraschungen zu erwarten. Schon im Vorfeld galt als wahrscheinlich, dass eine Mehrheit von 65 Abgeordneten Netanjahu als zukünftigen Premier empfehlen würde. So geschah es dann auch: Einziger Wackelkandidat war die rechte, säkulare Partei "Unser Haus Israel" von Avigdor Lieberman, die fünf Sitze bekommen hatte und die deshalb für die Regierungsbildung dringend nötig ist. Am Ende empfahl auch sie am Dienstag Netanjahu. Laut dem offiziellen, am Dienstag veröffentlichten, Endergebnis, kamen sowohl das Blau-Weiß-Bündnis von Gantz, als auch Netanjahus Likud auf jeweils 35 Sitze.

Streitpunkt Wehrpflicht

Doch die anstehende Koalitionsbildung hat Konfliktpotenzial: Lieberman warnte bereits, auch in der Opposition Platz zu nehmen, wenn er seine Ziele eines neuen Gesetzes für die Wehrpflicht für Ultraorthodoxe nicht durchsetzen könne. Bisher sind die Strengreligiösen von der Wehrpflicht ausgenommen, die ansonsten für fast alle Männer und Frauen gilt. Bereits Ende vergangenen Jahres war Lieberman von seinem Amt als Verteidigungsminister zurückgetreten, weil er seine Ziele im Umgang mit der Hamas im Gazastreifen nicht durchsetzen konnte. Es war mit ein Grund, warum am Ende Neuwahlen ausgerufen wurden.

Er dürfte aber auch diesmal Schwierigkeiten haben, seine Ziele durchzusetzen: Denn die beiden ultraorthodoxen Parteien wollen verhindern, dass sich am Status quo von Staat und Religion in Israel etwas ändert, und wollen deshalb Medienberichten zufolge mit der Union rechter Parteien gemeinsame Sache machen – gegen Lieberman. Moshe Gafni, einer der Anführer des Vereinigten Torah-Judentums, sagte laut Medienberichten: "Wenn unsere Positionen nicht akzeptiert werden, gibt es keine Koalition."

Am Mittwochmittag wird der Vorsitzende des Zentralen Wahlkomitees Präsident Rivlin die amtlichen Ergebnisse überreichen. Der erteilt dann das Mandat zur Regierungsbildung. Die Koalitionspartner haben dafür 28 Tage Zeit – mit der Möglichkeit, um zwei Wochen zu verlängern. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 16.4.2019)