Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz wohnt mit ihrem Mann in einem Reihenhaus am Rand des Wienerwaldes. Wenn sie durch die Glasfronten blickt, kommt ihr Thomas Bernhards Gedicht "Mein Weltenstück" in den Sinn.

"Die Geschichte unseres Zuhauses beginnt im Jahre 1989. Ich war gerade hochschwanger mit meiner Tochter. Wir haben damals noch im zweiten Bezirk gewohnt, wo es uns mit Nachwuchs aber zu eng erschien. Außerdem wollten wir ins Grüne. Wir hatten großes Glück und fanden ein Reihenhaus im 14. Bezirk.

Die Glasflächen im Reihenhaus erstrecken sich über zwei Stockwerke. Dadurch sind auch die Grenzen zwischen Wohnzimmer und Terrasse aufgehoben, wovon Sigrid Pilz sehr begeistert ist.
Foto: Nathan Murrell

Die Siedlung befand sich im Rohbau, eine Partei war vom Kauf zurückgetreten. Wir nutzten die Chance und waren froh, dass wir früh genug dran waren, um in Sachen Innenausbau unsere Wünsche zu deponieren. Ich spreche von Keller, Erdgeschoß, erster Stock und Dachgeschoß, das Ganze eher schmal und hoch. Damals hatte das Haus rund 130 Quadratmeter. Heute sind es ein paar mehr, doch dazu später. Ich kann mich gut erinnern, wie happy wir auf der Baustelle herumgestakst sind und anschließend eine Vorstellung im Burgtheater besuchten. Bei der Aufführung hab ich noch den Baustellendreck in den Sandalen gespürt.

Fotos: Nathan Murrell

Obwohl es sich um ein gewöhnliches Reihenhaus handelt, waren wir also sehr zufrieden mit unserem Fund. Und sind es noch. Das Haus liegt südseitig an einem Berghang, der Wienerwald beginnt vor der Haustüre und man sieht weit und breit kein Auto. Als meine Tochter in der Volksschule ein Bild von Wien zeichnete, hat sich die Lehrerin ganz schön gewundert, denn auf dem Bild war weder das Riesenrad noch der Stephansdom, sondern lediglich viel Wald zu sehen.

Zu unserer Tochter kam dann auch noch ein Sohn, und die beiden wuchsen hier in einem kleinen Paradies auf. Überhaupt gab es viele Kinder, und ich kann mich gut erinnern, wie sich die Berge von Kinderschuhen vor unserem Hauseingang türmten, weil wir den Keller als Spielzimmer hergerichtet haben. Dort hat sich bei Regen die halbe Nachbarschaft eingefunden. Inzwischen bin ich bereits Großmutter, und die Kinder sind längst aus dem Haus.

"Ich fühle mich hier der Welt zugewandt, ich kann mich aber auch zurückziehen", sagt Sigrid Pilz über ihr Zuhause.
Foto: Nathan Murrell

Als sie Jugendliche wurden, war das Haus so richtig abgenudelt. Es macht einfach einen großen Unterschied, ob man mit oder ohne Kinder wohnt. Jedenfalls haben wir uns überlegt, das Haus neu ausmalen zu lassen. Alles war irgendwie pickert. Zu diesem Zeitpunkt kam eine Freundin von uns ins Spiel, die Architektin Ulrike Lambert. Aus dem Ausmalen wurde ein Umbau.

Sind wir uns ehrlich, so ein Reihenhaus hat etwas Kleinkariertes, auch wenn man es noch so liebhat. Ursprünglich dachte ich an einen Wintergarten. Das war meine Vorstellung von besserer Wohnqualität. Ulrike hat mir die Idee aber Gott sei Dank ausreden können. An dieser Stelle möchte ich etwas Wichtiges erwähnen: Jeder, der sich einen Umbau ohne Architekten oder Architektin antut, hat keine Ahnung von so einem Vorhaben. Selbst fallen einem nämlich nur konventionelle Lösungen ein. Ulrike hatte aber die großartige Idee, das Haus nach vorne zu erweitern und der Südseite über zwei Etagen eine elegante Glasfassade zu verpassen. Ich war von der Idee sofort begeistert.

"Es gab schon den einen oder anderen Schweißausbruch." Sigrid Pilz ließ ihr Haus umbauen.
Foto: Nathan Murrell

Das Ergebnis ist wunderbar: Die Glasflächen sind rahmenlos, zwei Drittel lassen sich mühelos verschieben. Die Grenzen zwischen Wohnzimmer und Terrasse sind dadurch aufgehoben. Im Erdgeschoß liegen Küche, Wohn- und Esszimmer, und auf der ersten Etage ist unsere Bibliothek untergebracht. Der Ausblick ist während jeder Jahreszeit unbeschreiblich schön, und ich muss dort oben immer an Thomas Bernhards Gedicht Mein Weltenstück denken.

Es beginnt so: "Vieltausendmal derselbe Blick, durchs Fenster in mein Weltenstück, ein Apfelbaum im blassen Grün und drüber tausendfaches blühn, so an den Himmel angelehnt, ein Wolkenband, weit ausgedehnt." Ich fühle mich hier der Welt zugewandt, ich kann mich hier aber auch zurückziehen. Wie soll ich es sagen? Dieser Ort entspricht meiner Identität.

Klar war der Umbau von den Kosten und vom Aufwand her ein Wahnsinn. Da gab es schon den einen oder anderen Schweißausbruch. Wir haben eine neue Küche eingebaut, ferner kam auch im Inneren viel Glas zum Einsatz, neue Möbel wollten wir dann auch und, und, und. Aber es hat sich in jeder Hinsicht rentiert, und das Projekt hat meinem Mann und mir die Frage beantwortet, ob wir jemals von hier wegziehen werden. Mit Sicherheit nicht." (28.5.2019)