Wer will, kann unter seinem Haus ganz schön tief graben – theoretisch.

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In der "Hacienda de la Paz" in Los Angeles steht Kelleraffinen auf 3000 Quadratmetern unterirdisch ein Swimmingpool zur Verfügung.

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Im Luxusbunker in Las Vegas scheint die Zeit in den 1970er-Jahren stehengeblieben zu sein.

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Die Superreichen der Welt lassen sich vom Brexit-Debakel nicht beirren: Nirgendwo sonst gibt es aktuell so viele Menschen mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen US-Dollar wie in London. Genau 4944 sind es laut dem jüngsten Wealth Report des Maklerunternehmens Knight Frank.

Nur: Während sich Immobilienentwickler weltweit einen Wettlauf liefern, wer den höchsten Wolkenkratzer aus der Erde stampfen kann, gräbt die Londoner Elite in die Tiefe. In Bezirken wie Hammersmith und Chelsea entstehen "Iceberg Homes" – Häuser also, die in die Tiefe wachsen. Weil der Platz an der Oberfläche begrenzt ist und planerische Auflagen immer strenger werden, lassen manche unter ihren Häusern gleich mehrere Stockwerke in die Tiefe buddeln, um sich einen Keller zu errichten.

Wohlgemerkt: Das, was Österreichs Häuslbauer unter einem Keller verstehen, ist damit nicht gemeint. Eine kleine Werkstatt, ein Vorratsraum, ein bisschen Platz für Ski und Fahrrad haben die Londoner nicht im Sinn, wenn der Bagger auffährt. Sie wünschen sich Platz für Dekadenz – und sehen das als gutes Investment.

Kategorie "Mega-Basement"

Was genau da unten gebaut wird, geht aus der Studie "Mapping Subterranean London: the Hidden Geography of Residential Basement Development" der Newcastle University hervor. Zwischen 2008 und 2017 wurden demnach Baugenehmigungen für mindestens 4650 Keller in sieben Bezirken in London erteilt. Falls diese Keller am Ende alle auch errichtet wurden, entstanden insgesamt 376 unterirdische Swimmingpools, 456 Kinos, 996 Fitnessräume, 381 Weinkeller, 340 Spielzimmer, 241 Saunen, 115 Bereiche für Bedienstete, 65 Garagen und 40 Bibliotheken. Es geht aber noch skurriler: Genehmigt wurden laut Studie auch zwei Waffenlager, ein Automuseum, ein Ballsaal und ein künstlicher Strand.

112 Projekte ordneten die Studienautoren sogar in die Kategorie "Mega-Basements" ein. Dafür wurde 18 Meter bzw. drei Stockwerke weit in die Tiefe gegraben. Ein aktuelles Beispiel: Der Milliardär Robert Beecham plant in Primrose Hill gleich einen 60 Meter langen Fitness- und Entertainmentkomplex unter seinem Haus – mit Ballsaal, Fitnesscenter, Swimmingpool, Saftbar, Küche, Kino und Massageraum.

Bautechnisch wäre all das auch in Österreich möglich . "Prinzipiell geht eine nachträgliche Unterkellerung fast immer", sagt der Statiker Martin Haferl vom Büro Gmeiner Haferl Zivilingenieure. "Es ist aber eine Frage des Aufwandes." Ein Schnäppchen ist so ein Kellerausbau nämlich nicht: "Billiger wäre es, oberirdisch dranzubauen", sagt Haferl. Andreas Dreer vom Architekturbüro Dreer 2 kennt in Österreich nur das nachträgliche Errichten einer Tiefgarage unter einem Gebäude. "Das wird in Wien auch gemacht", sagt er, es koste aber ein Vielfaches von der oberirdischen Variante.

Berühmte Streithähne

Ein großer Kostenfaktor ist beispielsweise das Grundwasser und die Abdichtung der Baugrube. Auch der Zustand des Hauses muss laut Haferl vor Baustart ermittelt werden. Als nächster Schritt werden jene Teile des Fundaments, auf denen die Last des Hauses ruht, in die Tiefe geführt – durch Pfähle oder Bodeninjektionen, bei denen Zement in den Boden eingebracht wird. Wenn das Haus sicher steht, kann der Keller ausgegraben werden.

Risse sind dabei vorprogrammiert. "Wenn man die Kräfte des Hauses verlagert, gibt es immer Bewegung", stellt Haferl klar. Problematisch wird es allerdings vor allem dann, wenn die Risse nicht nur im eigenen, sondern auch im Nachbarhaus auftreten.

Daher kommt es auch in London immer öfter zu Streitereien. Zwei berühmte Streithähne: Der Sänger Robbie Williams und sein Nachbar, Led-Zeppelin-Gründer Jimmy Page, kämpfen seit Jahren vor Gericht darum, ob Williams unter seinem Haus einen Swimmingpool und einen Fitnessraum errichten darf. Page befürchtet laut Medienberichten, dass sein denkmalgeschütztes Haus auf dem Nachbargrundstück durch die Bauarbeiten Schaden nimmt.

Grund zum Streiten

"Bei einem Kellerausbau sollte man sich mit seinem Nachbarn wirklich gut verstehen", rät Statiker Haferl daher. Auch wenn diese Risse im Normalfall harmlos seien. Bei guter Planung sollte aber zumindest schon im Vorhinein bekannt sein, wo diese auftreten können. Ein Sachverständiger nimmt vor Baubeginn eine Beweisaufnahme vor und dokumentiert bereits bestehende Risse. Am einfachsten sei es, zu vereinbaren, Risse nach Fertigstellung auszuspachteln.

Aber auch abseits von Nachbarschaftsstreitigkeiten sorgen die Unterkellerungen für Unmut in London: Damit manifestiere sich die wachsende Ungleichheit in der Themse-Metropole nun auch im Untergeschoß, meinen Kritiker. Und so wie die oberen Geschoße der Luxusimmobilien einen Großteil des Jahres leerstehen, würden nun auch noch leerstehende Kellergeschoße anstatt leistbaren Wohnraums errichtet. Manche Bezirke haben ihre Gesetze zum Kellerausbau mittlerweile verschärft. Der Boom der Luxuskeller dürfte aber weitergehen.

Nicht nur in London: Auch in den USA wird von manchen der Platz ausgenutzt. In der Villa "Hacienda de la Paz" in Los Angeles, die schon oberirdisch nicht unbedingt ein Tiny House ist, spielt auch der 3000 Quadratmeter große Keller alle Stückerln: Hier sind unter anderem ein Indoor-Pool und ein türkisches Bad untergebracht. Der Bauherr umging damit Auflagen, wonach das Haus nur einstöckig sein darf. Im Herbst wurde das Haus um 22,5 Millionen Dollar (knapp 20 Millionen Euro) verkauft – ziemlich viel zwar, aber nur gut die Hälfte dessen, was der Eigentümer ursprünglich dafür wollte.

Luxusbunker zu haben

Wer noch einen Schritt weiter gehen will, dürfte sich für jenen Luxusbunker interessieren, der in Las Vegas um 18 Millionen Euro zu haben ist: Der Luftschutzbunker liegt nur wenige Kilometer vom legendären Strip entfernt und wurde noch zur Zeit des Kalten Krieges errichtet. Auf 1.400 Quadratmetern winkt Bewohnern von der Möblierung her eine Zeitreise in die 1970er-Jahre.

In acht Metern Tiefe stehen fünf Schlafzimmer, sechs Bäder, eine große Küche, ein Wohnbereich, ein Spielraum, eine Sauna, eine Bar inklusive Tanzfläche und ein Übungsgrün zum Golfen zur Verfügung. Außerdem gibt es einen Swimmingpool und ein Beleuchtungskonzept, das die unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten simuliert. Der Industrielle Girard Henderson, der den Bunker in den 1970er-Jahren errichtet hat, lebte bis zu seinem Tod 1983 darin.

Er war davon überzeugt, dass das Wohnen der Zukunft unterirdisch sein wird. Gewohnt wird heute zwar immer noch bei Tageslicht. Aber zumindest der Luxus ist im Keller eingezogen. (Franziska Zoidl, 7.5.2019)