Das Gehirn einer Dohle ist ganz anders aufgebaut als das eines Säugetiers – und doch sind ihre kognitiven Leistungen beachtlich.
Foto: Damian Gorczany

Bochum – Kaum 300 Gramm bringt eine Dohle auf die Waage – in einem solchen Körper scheint nicht viel Platz für ein komplexes Gehirn zu sein. Und doch sind Dohlen wie alle Vögel aus der Krähenverwandtschaft nicht zu unterschätzen, was ihre kognitiven Leistungen anbelangt.

Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben nun einen Verhaltensversuch mit zwei Dohlen durchgeführt, der nähere Aufschlüsse über die Gedächtnisleistung der kleinen Vögel bringen sollte. Für den Versuch lernten die Tiere, sich eine Sequenz von Orten zu merken, die sie besucht hatten. Zugleich mussten sie sich merken, welche Farben sie dort gesehen hatten. Diese Information mussten sie dann an einem anderen Ort wieder abrufen.

Das Experiment

Konkret sah das so aus: Auf einem Touchscreen tauchten nacheinander farbige Punkte auf, die das Tier anpicken musste. Erst wenn der erste Punkt angepickt war, erschien der nächste. An einem weiteren Ort musste der Vogel dann abrufen, welche Farbe er an welchem Ort gesehen hatte. Machte er alles richtig, gab es als Anreiz ein Leckerli.

Um die Reihenfolge der Orte abfragen zu können, hatten die Tiere zunächst gelernt, den Orten Symbole zuzuordnen: einen Campingplatz, ein Toilettenhäuschen und einen Hafen. Die Symbole wurden allerdings nie an den Orten selbst präsentiert. Die Dohlen sahen sie nur auf dem vierten Touchscreen, auf dem sie ihre Antwort eingeben mussten. Anfangs pickten sie laut den Forschern einfach zufällig auf die Symbole. Doch nur wenn die Reihenfolge stimmte, gab es eine Futterbelohnung. So lernten sie, Campingplatz, Toilettenhäuschen und Hafen einem der drei anderen Touchscreens zuzuordnen.

Der von den Forschern "Arena" genannte Versuchsraum mit seinen Touchscreens.
Foto: Damian Gorczany

Mit dieser Aufgabe wollten die Forscher die Basis für das sogenannte episodische Gedächtnis untersuchen. Dieses speichert einzigartige Erlebnisse und beruht darauf, dass Individuen sich merken können, was sie wann wo getan haben. In einer Reihe von Verhaltensversuchen zeigten andere Gruppen bereits, dass Krähenvögel dazu in der Lage sind.

Schnell gelernt, doch es gibt Grenzen

"Wir waren uns nicht sicher, ob die Tiere in der Lage sein würden, das zu lernen", sagt Jonas Rose, Leiter der der Arbeitsgruppe Avian Cognitive Neuroscience. "Es ging dann relativ schnell, innerhalb von einem Monat." In 60 bis 80 Prozent aller Versuchsdurchgänge gaben die Tiere alle drei Orte korrekt an. Die Wahrscheinlichkeit, durch Raten richtig zu antworten, liegt laut Rose bei diesem Versuchsdesign bei knapp 17 Prozent.

Anschließend trainierten die Vögel, sich zu merken, an welchem Ort sie welche Farbe gesehen hatten, wobei die Reihenfolge der Orte und die Zuordnung der Farben sich in jedem Versuchsdurchgang änderten. Anfangs hatten die Dohlen damit große Probleme. "Wir versuchen gerade, herauszufinden, ob es einfach zu viele Informationen für das Arbeitsgedächtnis der Tiere sind", erklärt Rose, "oder ob sie ein Problem mit der Farbaufgabe an sich haben."

Mittlerweile antworten die Tiere laut den Forschern in 20 Prozent der Versuchsdurchgänge richtig, in denen sie Orte und Farben angeben sollen. Das liegt ebenfalls bereits über der Rate-Wahrscheinlichkeit, die 5,5 Prozent betragen würde. Noch sind die Bochumer Biopsychologen daher zuversichtlich, dass die Tiere die Aufgabe lernen können. Falls nicht, würden sie den Versuch schrittweise vereinfachen. Neurophysiologische Untersuchungen sollen später Aufschluss über die zugrunde liegenden Prozesse im Gehirn geben, die den Vögeln ihre Gedächtnisleistung ermöglichen. (red, 16. 4. 2019)