Lee Fields hat von den Besten gelernt, er weiß, was er seinem Publikum schuldig ist: die Gefühlsbeben und den Glamour des Soul.

Foto: Sesse Lind

Lee Fields ist ein höflicher Mensch. Er hört genau zu, überlegt, spricht – nur einmal unterbricht er. Als das Wort Arbeit fällt, sagt er, er arbeite nicht, er habe sich längst zur Ruhe gesetzt, sei "retired" – dann lacht er und liefert die Erklärung nach: "Was ich mache, ist keine Arbeit für mich, es ist ein Vergnügen, auf der Bühne zu stehen."

Das tut er fast überall auf der Welt: In Australien, Japan, Russland, fast in jedem Land Europas oder beim Hipster-Festival Coachella in der kalifornischen Wüste – Fields ist ein gefragter Mann. Arbeit hat er früher gehabt, in den 1980ern. Damals ist es mit der Musik nicht so gut gelaufen, Geld musste er natürlich trotzdem verdienen, also verdingte er sich in der Immobilienbranche. Das zeigte ihm zwar, dass er ohne Musik überleben könnte, glücklich machte es ihn nicht. "Ohne Musik fühle ich mich leer, Mann."

Der dritte im Bunde

Fast 50 Jahre ist der heute 68-jährige Soulsänger im Geschäft. Seine erste Single erschien 1969, sein erstes Album zehn Jahre später. Das Original kostet heute unter Sammlern mehr Geld, als er damals damit verdient hat. Fields lacht: "Es ist verrückt, aber ich beklage mich nicht, der Herr war immer gut zu mir."

Der Herr ist im Gespräch so etwas wie der dritte Teilnehmer. Er wird immer bemüht, wenn Fields seiner Dankbarkeit oder seiner Hoffnung Ausdruck verleiht. Dankbar ist er für sein Karrierebarometer, das seit 20 Jahren stetig nach oben zeigt. Sein jetzt erschienenes Album It Rains Love wird an der Richtung nichts ändern, es ist eines seiner besten.

Der Titelsong seines neuen Albums: It Rains Love.
Big Crown Records

Lee Fields bespielt das Fach des Deep Soul. Das ist tief empfundene Soul-Musik, der weltliche Nachbar des Gospels. Das Ergebnis seines Vergnügens besitzt die Würde des Alters, die Erfahrung eines Mannes, der viel erlebt hat. Wenn er jedoch aufdreht, dann ordentlich. Live wirkt der Mann zwanzig Jahre jünger, ist ein perfekter Entertainer, geht hoch wie Dynamit.

Als die Produzenten des James-Brown-Biopic Get On Up einen Sänger brauchten, um Browns Gesang glaubwürdig nachzustellen, läutete bei den Fields in New Jersey das Telefon.

"O. V. war der Coolste"

Elmer "Lee" Fields stammt aus North Carolina und war in der goldenen Soul-Ära als Jungspund noch dabei. Er weiß, wie Soul klingen muss, er weiß, wie man ein Publikum um den Finger wickelt, es mit seiner Show fesselt. Er ist mit ein paar der Größten des Fachs auf der Bühne gestanden und hat von ihnen gelernt. Von Typen wie Bobby "Blue" Bland, Bobby Womack oder O. V. Wright.

"O. V. war der Coolste, Mann. Seine Anzüge waren die schärfsten, und er nahm die Sonnenbrille nie ab. Er war immer umgeben von seinem Manager und einigen Typen, von denen ich heute weiß, dass sie nicht nur Gutes im Schilde geführt haben, aber darüber will ich nicht richten. Von O. V. auf der Bühne konnte man sich einiges abschauen. Wie er die Dramatik erhöhte, Leidenschaft in die Songs legte und dabei nie die Fassung verlor. Das Publikum drehte durch, aber er richtete sich bloß die Brille."

Beatles als Erweckungserlebnis

Begonnen hatte die Liebe zur Musik vergleichsweise blass mit den Beatles. Ihr Auftritt in der Ed Sullivan Show war dem kleinen Lee ein Erweckungserlebnis. Als er James Brown auch noch entdeckte, war sein Schicksal besiegelt: Sänger wollte er werden. Also nahm er an einem Wettbewerb teil, gewann und wurde von der Band des Wettbewerbs gleich engagiert.

Liee Fields und Two Faces
Big Crown Records

Doch eine richtige Gruppe zu finden, die perfekt zu ihm passte, das sollte noch dauern. Heute hat er sie und nennt sie The Expres sions. Gelehrige Jünger der alten Soul-Lehre. Doch zuerst kamen die schwierigen 1980er, dann die 1990er, in denen er im Business langsam wieder Fuß fasste. Seine Frau hat ihn damals ermutigt, es wieder zu probieren. Er lernte den jungen Gabriel Roth kennen, der später das Label Daptone gründen sollte. Er sang Background für Sharon Jones – und wurde in den Nullerjahren vom französischen House-Produzenten Martin Solveig als Sänger verpflichtet, was einige Clubhits zeitigte. Der Herr meinte es gut mit ihm.

Musik für die Menschlichkeit

Seit zehn Jahren ist er eine der führenden Figuren des Soulrevivals. Andere Stars wie Charles Bradley oder Sharon Jones sind mittlerweile gestorben, Fields hält die Stellung. Er fühlt sich gesegnet. Warum er dann nicht Gospel singt? Gospel, sagt er, sei die Musik für das, was später kommt, für das "when and then", Soul die Musik für das Jetzt, das "here and now". Das spricht ihn mehr an. Und natürlich ist der Markt größer.

Der meint es ebenfalls gut mit ihm. Das Musikbusiness ist heute besser als früher, als einige wenige bestimmten, was im Radio gespielt wurde. Youtube findet er toll, dort könne man Musik ent decken, die früher im Dunkeln geblieben wäre. Wobei Fields manche Entwicklungen skeptisch sieht. Er glaubt, dass künstliche Intelligenz irgendwann den Menschen perfekte Songs vorsingen könnte. Dabei würde diesen Songs genau das fehlen, was die Kunst ausmache: die Menschlichkeit.

Wie jeder Soulster ist Lee Fields ein Gefangener der Liebe: Love Prison.
Big Crown Records

"Es gibt nichts Schöneres als mit geistesverwandten Musikern zu spielen. Es ist ein Segen." Beim Thema Politik bleibt Fields verhalten. Die Bewegung Black Lives Matter findet er wichtig, er selbst sieht es aber nicht als seine Aufgabe, sich politisch zu äußern. "Ich fokussiere mich auf die Menschen. Die sollten einander lieben und schätzen. Das ist wichtiger als Politik, auch wenn es im Endeffekt ebenfalls politisch ist, bloß mit größerer Vision."

Letzte Frage: Wenn er an seine Alben denkt, welches mag er am meisten? "Ach", sagt Fields, "das ist wie bei Kindern. Aus dem einen wird ein Doktor, der andere hatte nie auch nur einen einzigen Job, aber man liebt sie doch alle." (Karl Fluch, 18.4.2019)