Beachtlich groß – und dennoch ist dieses Exemplar noch keineswegs rekordverdächtig für eine Asselspinne.
Foto: APA/AFP/MARTYN HAYHOW

Honolulu – Zunächst eine für Arachnophobiker hoffentlich beruhigende Information: Asselspinnen sind keine Spinnen. Sie haben zwar in den meisten Fällen acht Beine (manchmal auch zehn oder zwölf), weisen aber beträchtliche körperliche Unterschiede zu den Spinnen auf und werden daher in eine eigene Klasse von Gliederfüßern gestellt.

Asselspinnen bestehen praktisch nur aus Beinen, die in der Mitte von einem winzigen Körper zusammengehalten werden. Sie kommen ausschließlich im Meer vor und sind allesamt Räuber. Viele Arten sind millimeterklein – es gibt aber auch wahre Riesen mit einer Beinspannweite von 70 bis 90 Zentimetern, vor allem in der Antarktis.

Eine Asselspinne der Spezies Colossendeis robusta kann ihre Beine einen halben Meter weit spreizen.
Foto: Tim Dwyer, ARCUS

Forscher der Universität Hawaii sind nun der Frage nachgegangen, warum die Tiere just in dieser extrem kalten Umgebung so groß werden. Dazu gab es schon vorab eine Hypothese: In der Kälte läuft der Stoffwechsel langsamer ab, es wird also auch weniger Sauerstoff benötigt.

Und Sauerstoffaufnahme ist ein kritischer Punkt bei diesen Tieren. Asselspinnen haben keine Kiemen oder ähnlich spezialisierte Atmungsorgane. Sie nehmen den Sauerstoff über ihre Körperhülle auf, genauer gesagt an den Beinen. Von dort wird er über die Hämolymphe, ihre Körperflüssigkeit, weiterverteilt. Je größer aber ein Körper ist, desto schneller müsste dieses System von Aufnahme und Verteilung an seine Grenzen stoßen – außer die Kälte reduziert den Bedarf.

Das Experiment

Um diese Hypothese zu überprüfen, hat sich das Team um Caitlin Shishido von der Universität Hawaii und Amy Moran von der Universität Montana ein Experiment mit etwas sadistischen Zügen einfallen lassen. Sie drehten Asselspinnen immer wieder auf den Rücken und sahen zu, wie oft die Tiere es schafften, sich wieder umzudrehen, ehe sie erschöpft waren.

Dieser Versuch wurde mit großen und kleinen Asselspinnen sowie in verschiedenen Temperaturbereichen durchgeführt: von den minus 1,8 Grad Celsius, unter denen die Tiere normalerweise leben, bis zu ungemütlich warmen 9 Grad.

Der Hypothese vom Kältefaktor entsprechend hätte den großen Asselspinnen viel schneller die Puste ausgehen müssen als den kleinen, sobald das Wasser erwärmt wurde. Das war aber nicht der Fall. Auch bei den Höchsttemperaturen schlugen sich die Riesen so gut wie die Winzlinge.

"Wie Schweizer Käse"

Also unterzogen die Forscher die Tiere einer mikroskopischen Untersuchung, um die Ursache für dieses überraschende Ergebnis zu finden. Dabei entdeckten sie, dass die Beine der Tiere mit Poren übersät sind, die offenbar die Atmung ermöglichen. Und je größer ein Tier ist, desto größer sind auch diese Poren. Die Außenskelette der richtig großen Exemplare sahen laut Shishido unter dem Mikroskop "wie Schweizer Käse" aus.

Kälte – ob in der Antarktis oder in der Tiefsee – mag dem Wachstum der Tiere also zuträglich sein, aber eine unabdingbare Voraussetzung ist sie offenbar nicht. Bleibt die Frage offen, warum man noch keine Asselspinnen vergleichbarer Größe in wärmeren Gewässern herumkrabbeln hat sehen.

In Zeiten des Klimawandels sind die Studienergebnisse jedenfalls gute Nachrichten für diese ungewöhnlichen Tiere. Die Forscher betonen zwar, dass ihr Experiment nicht die komplexen Langzeitfolgen berücksichtigt, die eine Erwärmung der antarktischen Gewässer mit sich bringen könnte. Doch fürs erste scheinen die Asselspinnen für den Wandel besser gerüstet zu sein, als man bislang gedacht hatte. Allerdings reicht ihre Geschichte auch bis ins Kambrium zurück – sie haben also schon eine ganze Reihe von klimatischen Umwälzungen überstanden. (jdo, 19. 4. 2019)