Paris – Frankreich will nach der Brandkatastrophe von Notre-Dame einen internationalen Architekturwettbewerb für den Wiederaufbau des kleinen Spitzturms ausrufen. Mit dem Wettbewerb solle darüber entschieden werden, ob und wie der Turm wiederaufgebaut wird, sagte Premierminister Édouard Philippe nach einer Regierungssitzung am Mittwoch.

Fotos: Reuters. Grafik : stb.

Ein neuer Turm müsse den "Techniken und Herausforderungen unserer Zeit" standhalten. Der kleine Spitzturm in der Mitte des Daches der weltberühmten Kathedrale war am Montagabend bei dem Brand in sich zusammengestürzt.

Fotos: Reuters. Grafik : stb.

Neues Spendengesetz

Außerdem kündigte Philippe ein neues Gesetz an, das Transparenz im Umgang mit den Spenden sicherstellen soll. "Jeder Euro, der für den Wiederaufbau von Notre-Dame eingezahlt wird, wird dafür eingesetzt – und für nichts anderes", sagte Philippe. Eine entsprechende Vorlage soll es in der kommenden Woche geben.

Außerdem solle eine öffentliche Einrichtung den Wiederaufbau leiten. Nach dem zerstörerischen Feuer besteht eine riesige Spendenbereitschaft weltweit. Bis Mittwochmittag ist schon fast eine Milliarde Euro an Spenden zusammengekommen. "Heute Morgen waren es fast 900 Millionen. Ich denke, wir werden heute noch die Milliardengrenze überschreiten", sagte der Fernsehmoderator Stephane Bern, der im Auftrag von Staatschef Emmanuel Macron für die Renovierung historischer Baudenkmäler in Frankreich zuständig ist, am Mittwoch dem Sender RMC. "Die ganze Welt ist an unserer Seite", sagte Bern. Er geht von "mindestens zehn bis 20 Jahren" aus.

"Volk von Baumeistern"

Kurz nach dem Ausbruch des Feuers am Montagabend hatte allerdings Macron schon versprochen, das Jahrhunderte alte Bauwerk wieder aufzubauen. In einer Fernsehansprache am Dienstag kündigte er an, dass dies binnen von fünf Jahren passieren sollte. Er nannte die Franzosen ein "Volk von Baumeistern". Macron fügte hinzu: "Im Laufe unserer Geschichte haben wir Städte, Häfen und Kirchen gebaut. Viele sind verbrannt oder zerstört worden (...). Jedes Mal haben wir sie wiederaufgebaut."

Die Rettung der Kathedrale vor dem Einsturz war nach Angaben der Regierung noch knapper als angenommen: Innenstaatssekretär Laurent Nuñez sagte, es habe sich "um 15 bis 30 Minuten" gehandelt. Die Feuerwehr habe den Brand gerade noch rechtzeitig löschen können. Die Grundfesten der Kathedrale und die beiden Glockentürme halten nach seinen Worten stand, Sorgen bereiten aber weiter das Gewölbe und ein Giebel im nördlichen Querschiff.

Staat als Versicherer

Schnell kam in Frankreich die Frage nach den Kosten für dieses gewaltige Projekt auf – und wer diese trägt. Die Kathedrale sei im staatlichen Besitz und somit nicht im klassischen Sinne versichert, berichtete die Zeitung "Le Monde" unter Berufung auf den französischen Versicherungsverband.

Der Staat sei in diesem Falle sein eigener Versicherer. Zwar, so die Zeitung weiter unter Berufung auf einen Experten, seien viele Gebäude wie etwa der Eiffelturm auf Teilschäden versichert. Die Schadensdeckung liege aber deutlich unter den maximalen Kosten, die ein Schaden verursachen könne. Außerdem wären die zu zahlenden Versicherungsprämien für derartige Kulturdenkmäler exorbitant hoch.

Foto: AFP/Thomas Samson

Mehrere französische Milliardärsfamilien hatten kurz nach dem Brand Spenden über Hunderte Millionen Euro versprochen – darunter die Familien Arnault, Bettencourt und Pinault. Die französische Kulturerbe-Stiftung Fondation du Patrimoine hat eine Spendensammlung gestartet und eine entsprechende Webseite eingerichtet. Sie brach zwischenzeitlich zusammen. Dort waren am Mittwochvormittag schon fast elf Millionen Euro zusammengekommen.

1.300 hundertjährige Eichen

Neben Geldspenden gab es auch die Aussicht auf Sachspenden für den Wiederaufbau der Kathedrale. Die Versicherungsgesellschaft Groupama kündigte etwa an, 1.300 hundertjährige Eichen zu spenden. Sie sollen aus Wäldern in der Normandie kommen, die der Gesellschaft gehören. Der bei dem Brand zerstörte Dachstuhl war eine riesige Holzkonstruktion. Die Holzindustrie schlug vor, dass jeder private Waldbesitzer eine Eiche spenden soll.

Wieder aus Holz?

Der Kunsthistoriker Stephan Albrecht von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sieht die Wiederaufbaupläne mit Skepsis. Der Dachstuhl gehe auf eine Holzkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert zurück, deren Baupläne nicht mehr verfügbar seien. "Es gibt nur vage Zeichnungen, wie das ausgesehen hat", sagte Albrecht der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er könne sich daher nicht vorstellen, dass der Dachstuhl wieder aus Holz aufgebaut wird.

Die Wiener Philharmoniker haben angekündigt, den Wiederaufbau der brandzerstörten Kathedrale zu unterstützen: Das Orchester wird sein Konzert am 2. Mai im Berliner Dom, das im Rahmen des Anton-Bruckner-Kathedralenprojekts der Fondazione Pro Arte e Musica Sacra stattfindet, unter das Motto "Zusammenstehen! Solidarität für Notre-Dame de Paris" stellen.

Einladung zur Messe

Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit rief dazu auf, nicht nur die Kathedrale wiederaufzubauen, sondern auch "unsere Kirche", deren Gesicht verwundet sei. Er spielte damit auf Skandale der jüngsten Zeit an – so war der Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin, von einem Gericht wegen Vertuschung von Missbrauch verurteilt worden. Aupetit lud Gläubige zu einer vorösterlichen Messe in der Pariser Kirche Saint-Sulpice am Abend ein. In Saint-Sulpice sollen laut Medien während der Osterfeiertage Gottesdienste stattfinden, die eigentlich für Notre-Dame vorgesehen waren. (APA, red, 17.4.2019)