Begegnung im Hof der Wohnanlage: Teresa Kögler (li.) und Mahsa Ghafari in "Balkon"

Foto: Mohanad Suwaed

Das Bewusstsein dafür, wie wenig die Pluralität der Gesellschaft auf der Bühne und in den Spielplänen abgebildet wird, ist gestiegen. Einige Theaterhäuser versuchen, das zu ändern, allen voran das Gorki-Theater in Berlin mit einem vielsprachigen Ensemble. In Wien sind es vor allem Einzelprojekte, die diese Ansprüche einlösen. Allerdings hat sich auch das neu gegründete Theater Arche in der Münzwardeingasse (vormals Theater Brett) Internationalität auf die Fahnen geheftet. Neu entwickelte Stücke mit unmittelbarem Gegenwartsbezug stehen auf dem Programm.

Mit der Eigenproduktion Anstoß (über Abgründe im Hochleistungssport) wurde die Spielstätte Ende Jänner eröffnet. Das Haus ist aber auch Herberge für freie Produktionen, aktuell für Balkon von Hayder Saad.

Nicht zwingend beste Freundinnen

Der aus dem Irak geflohene Schauspieler und Regisseur (seit 2015 in Österreich) spürt in seinem Stück kulturellen Prägungen nach. Wie und wo bestimmt Kultur dein Leben? Im Hof einer Wohnanlage begegnen einander drei Frauen, nicht zwingend beste Freundinnen: Die eine (May Garzon) ist extrovertiert-elegant, die andere hysterisch-schmuddelig (Teresa Kögler), die dritte stumm und schüchtern (Mahsa Ghafari).

Hayder Saad, der schon andere Inszenierungen in Wien realisiert hat und als Schauspieler in badluck aleppo mitwirkte (Hamakom, 2016), schafft eine von Low-Budget-Charme durchströmte Szene im begrünten Hof. Was wollen die drei Frauen hier? Ihre eingeübten Tätigkeiten wirken wie die rätselhaften Riten fremder Völker, auch wenn es sich nur ums Wäscheaufhängen oder Videodrehen handelt. Man merkt bald: Das Handeln anderer ist nicht fremder als das eigene. Hayder Saad legt also, wenn man nur lange genug hinsieht, in der scheinbaren Differenz Gemeinsamkeiten frei. (Margarete Affenzeller, 17.4.2019)