Laut Frankreichs Präsident soll der Notre-Dame-Wiederaufbau fünf Jahre dauern. Experten nennen längere Zeitspannen.

Foto: Amaury BLIN / AFP

Bild nicht mehr verfügbar.

Noch ist unklar, ob das Dach der gotischen Kathedrale wie vor dem Feuer aussehen wird oder ob der im 19. Jahrhundert erbaute Spitzturm für immer verschwunden sein wird.

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

Notre-Dame könnte nach dem Wiederaufbau nicht mehr die gleiche Kathedrale sein. Denn ob der Vierungsturm, der durch den Großbrand am Montagabend eingestürzt ist, wiedererrichtet wird, ist unklar. Frankreichs Premierminister Édouard Philippe verkündete nach einer Regierungssitzung am Mittwoch, dass ein internationaler Architekturwettbewerb über das Schicksal des kleinen Spitzturms entscheiden soll. Immerhin sei er erst im 19. Jahrhundert hinzugefügt worden.

Sollte der Turm wiedererrichtet werden, müsste er den "Techniken und Herausforderungen unserer Zeit" standhalten, sagte der Premier. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Katastrophe vom 15. April nicht wiederholt.

Keine Sprinkler

Denn obwohl die Brandursache noch nicht feststeht, ist klar, dass grundlegende Brandschutzvorkehrungen in der gotischen Kathedrale gefehlt haben. So wurde absichtlich auf Brandschutzwände und Sprinkleranlagen verzichtet, um das Design des Wahrzeichens nicht zu verändern und kein weiteres Feuerrisiko durch elektrische Leitungen einzugehen. Diese Entscheidungen werden nun von Experten öffentlich infrage gestellt.

"Der fehlende Brandschutz hat es dem Feuer ermöglicht, sich schnell auszubreiten", sagt Jean-Michel Leniaud zur "New York Times". Er ist der ehemalige Direktor der École Nationale des Chartes, eines Universitätsinstituts, das sich auf historische Wissenschaften spezialisiert hat. Leniaud war am Dienstag im Inneren der Kathedrale: "Hätte es überall Sprinkleranlagen gegeben, wäre das vielleicht anders gewesen. Aber es gab keine."

Keiner Schuld bewusst

Indessen weisen Baufirmen, die an den Restaurierungsarbeiten in Notre-Dame beteiligt waren, die Schuld am Feuer von sich. Es seien alle Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen eingehalten worden, verlautbarte jenes Unternehmen, das das Baugerüst auf dem Dachboden aufgestellt hatte. Zum Zeitpunkt des Feuers seien kein Mitarbeiter mehr in der Kathedrale gewesen.

Am Tag nach dem "Brand aus" in Notre-Dame zeigt sich immer mehr, wie knapp die Kathedrale noch größerer Zerstörung entgangen ist. Frankreichs Staatssekretär für Inneres, Laurent Nuñez, sagte, dass das Wahrzeichen nur 15 bis 30 Minuten von einer kompletten Zerstörung entfernt gewesen sei. Insgesamt 20 Feuerwehrleute hätten aber ihr Leben riskiert, indem sie in die Türme vorgedrungen seien, um das Feuer dort zu bekämpfen: "Dadurch retteten sie das Gebäude."

Zwei Übungen in Notre-Dame

Auch Papst Franziskus dankte den fast 500 Feuerwehrleuten, die stundenlang den Großbrand löschten: "Ihnen gilt der Dank der ganzen Kirche. Die Muttergottes segne und unterstütze die Wiederaufbauarbeiten" , sagte das römisch-katholische Kirchenoberhaupt bei der Generalaudienz im Vatikan.

Im vergangenen Jahr hatten zwei Großübungen der Pariser Feuerwehr in Notre-Dame stattgefunden, sagte ein Sprecher der Einsatzorganisation. Dabei hatte der Schwerpunkt auf der Bergung der Reliquien und Kunstschätze in der Kathedrale gelegen. Diese Übungen hätten dazu beigetragen, dass so viele Wertgegenstände vor dem Feuer in Sicherheit gebracht werden konnten, ist sich Feuerwehrsprecher Gabriel Plus sicher.

Auch nach dem Brand fanden die Einsatzkräfte wertvolle Sachgüter in den Trümmern. So wurde am Dienstagabend der bereits verlorengeglaubte Hahn der eingestürzten Turmspitze wiedergefunden. Im Inneren der Bronzeskulptur befanden sich ein Stück der Dornenkrone, eine Reliquie des heiligen Dionysius und eine der heiligen Genoveva. In welchem Zustand die Gegenstände sind, ist noch unklar. (bbl, 17.4.2019)