Wiener Forscher visualisieren die komplexen Effekte in einer globalen Wirtschaft.

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Als die USA Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Aluminium und zehn Prozent auf Stahl einführten, hat das die Metallhersteller in Europa getroffen. Aber auch ganz andere Branchen.

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Strafzölle tragen es schon im Namen, dass sie wehtun sollen. Die Preise steigen, und der Handel schrumpft. Seit US-Präsident Donald Trump im Vorjahr Zölle auf Stahl und Aluminium einführte, klagen betroffene Unternehmen. Inzwischen sieht sich der Präsident dadurch bestätigt, dass im Februar überraschend das Handelsbilanzdefizit der USA unter die Marke von 50 Milliarden Dollar rutschte.

Obwohl sich die meisten Experten einig sind, dass die Zollpolitik Washingtons der Welt schadet, tun sich Ökonomen schwer, die Folgekosten für die Volkswirtschaft zu erfassen. Zumindest wenn es nach einem Forscherteam aus Wien geht, fehle der Wirtschaftswissenschaft das richtige Werkzeug. Woran das liegt? "Die Standardökonomie hat Netzwerke bisher ignoriert", sagt Stefan Thurner, Chef des Complexity Science Hub Vienna, im Gespräch mit dem STANDARD. Zusammen mit seinen Kollegen Peter Klimek und Sebastian Poledna hat er nun im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature ein Modell vorgestellt, dass mit Ansätzen aus der Physik volkswirtschaftliche Prozesse als komplexe Netzwerke erfasst.

"Unsere Methode hat alle Standardökonometrische Prognosemethoden übertroffen, die meisten sogar deutlich", sagen die Autoren selbstsicher. Die untersuchten Netzwerke bestehen aus Produktionszahlen von 56 Wirtschaftssektoren aus 43 Industrieländern. Die Wissenschafter haben diese Daten in ein interaktives Tool eingebettet. Auf einer Weltkarte zeigen bunte Linien eindrucksvoll die Vernetzung der globalen Ökonomie.

Wirtschaft als Kartenhaus

Bildlich könne man sich derart komplexe Systeme wie ein Kartenhaus vorstellen. Um herauszufinden, welche Karte als Erste umfällt und das Haus mitreißt, kann man mit dem Finger an verschiedenen Stellen leicht anstupsen und nachschauen, wie sich die ganze Struktur bewegt, erklären die Autoren. Erfasst man diese globale Vernetzung, versteht man auch, warum die Welt so lange gebraucht hat, um sich von der großen Rezession 2008 zu erholen. Die Forscher haben festgestellt, dass es sechs bis zehn Jahre dauert, bis alle Wirtschaftssektoren den Schock verdaut haben.

Was die Forscher "Schock" nennen, muss nicht immer ein Desaster sein. Gemeint ist alles von einer großen Krise über einzelne Zölle oder lediglich gewöhnliche Veränderungen in der Produktion.

Was die Folgen sind

Als die USA Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Aluminium und zehn Prozent auf Stahl einführten, hat das klarerweise die Metallhersteller in Europa getroffen.

Doch die Folgewirkungen waren durchaus gemischt – auf dem Bildschirm springen bunte Linien über den Atlantik. Demnach hat der europäische Elektrizitätssektor gelitten. Schließlich benötigen die Stahl- und Aluschmelzer große Strommengen. Die Autobauer in Deutschland und Österreich wurden durch die Stahlzölle hingegen angekurbelt. Wichtige Rohstoffe wurden billiger, weil die Nachfrage aus Amerika einknickte. "Insgesamt übersteigen die Kosten für die Metallindustrie die positiven Folgeeffekte", erklärt Thurner. Aber der Gesamtschock für die Wirtschaft war deutlich geringer, als viele befürchtet haben.

Eines ist klar: Die Methode ist neu und wird sich bewähren müssen, indem sie auch die Zukunft vorhersagt, nicht nur die Vergangenheit. (18.4.2019)