Frühere, vor allem in der Kindheit erlebte negative Lebensereignisse erhöhen die Verletzbarkeit bei einer posttraumatische Belastungsstörung.

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Bis zu fünf Prozent der Menschen in westlichen Ländern entwickeln im Laufe ihres Lebens eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sie tritt meist innerhalb eines halben Jahres nach einem traumatischen Ereignis wie körperlicher oder sexualisierter Gewalt, Naturkatastrophen, Kriegen oder Unfällen auf. Die Betroffenen werden im Alltag plötzlich und unkontrollierbar von der Erinnerung an das schreckliche Geschehen überflutet und in die traumatische Situation zurückversetzt – man spricht von einer Intrusion

Salzburger Psychologen haben nun mit bildgebenden Verfahren beobachtet, was im Gehirn während eines traumatischen Ereignisses passiert. Die Forscher konnten zeigen, dass nur die Kombination aus ungünstiger neuronaler Verarbeitung eines Traumas und bereits durchgemachten negativen Lebensereignissen zu Symptomen der Störung führt. Die Studie wurde im Fachjournal "Biological Psychiatry" publiziert.

"Wenn wir besser verstehen, warum manche Menschen nach einem psychischen Trauma anfälliger für Intrusionen sind, wohingegen andere resilient zu sein scheinen, könnten wir das gezielt für die Prävention und die Therapie von Posttraumatischen Belastungsstörungen nutzen", sagt Projektleiter Frank Wilhelm, Leiter des Labors für Klinische Stress- und Emotionsforschung der Universität Salzburg.

Neuronale Verarbeitung

Eine bisher ungeklärte Frage zu den Risiko- und Resilienz-Faktoren für Intrusionen war, welche Rolle dabei die neuronale Verarbeitung während eines Traumas spielt. Da es unmöglich ist, dies an realen Traumata zu erforschen, haben die Salzburger Forscher ein Experiment (Analog-Modell) entwickelt, mit dem sie ein traumatisches Erlebnis auf einem niedrigen und tolerierbaren Niveau simulieren und im Gehirnscanner in Echtzeit beobachten konnten.

Julina Rattel, Erstautorin der Studie: "Wir zeigten 53 weiblichen Versuchspersonen aversive Filmausschnitte mit interpersoneller Gewalt und körperlichen Verletzungen, zum Beispiel einige Szenen aus dem Oskar prämierten Hollywood-Thriller '127 Hours'. Mit der fMRT, der funktionellen Magnetresonanztomographie können die dabei aktivierten Hirnareale in hoher räumlicher Auflösung dargestellt werden. Dies ermöglich es uns zu untersuchen, wie das Gehirn mit derartigen emotionalen Ereignissen umgeht."

In den darauffolgenden Tagen dokumentierten die Versuchspersonen anhand von Smartphone-basierten Fragebögen ihre intrusiven und belastenden Erinnerungen an diese Filmszenen.

Klarer Zusammenhang

"Es zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen einer Überaktivierung in bestimmten Hirnregionen – nämlich denjenigen, die insbesondere für die Verarbeitung von Bedrohung, für Emotionsregulation und die Abspeicherung von Gedächtnisinhalten zuständig sind – und vermehrten Intrusionen. Dies war jedoch nur bei denjenigen Personen der Fall, die – laut ihren Fragebogenangaben – zuvor schon fünf oder mehr belastende Lebensereignisse erlebt hatten", so Rattel. Wer keine oder nur wenige solche Lebensereignisse berichtet hatte, dessen Gehirnareale waren zwar ebenfalls aktiv, aber es kam in der Folge nicht zu dem intrusiven und belastenden Wiedererleben der Filmszenen.

Es ist schon seit längerem bekannt, dass frühere, vor allem in der Kindheit erlebte negative Lebensereignisse die Vulnerabilität gegenüber einer posttraumatische Belastungsstörung erhöhen. "Unsere Ergebnisse zeigen signifikant auf, dass dies durch spezifische vulnerable Gehirnnetzwerke erklärt werden kann, die durch wiederholte Lebensereignisse sensitiviert zu sein scheinen und bei entsprechender Reaktivierung zu Symptomen der Posttraumatischen Belastungsstörung führen", erklärt Rattel.

Die Befunde der Salzburger Psychologen könnten helfen, gefährdete Personen zu identifizieren und potentielle Ansatzpunkte für präventive Interventionen nach traumatischen Erlebnissen zu entwickeln. Rattel: "Es stellt sich die Frage, ob man eventuell durch Emotionstraining die Befunde umkehren kann. Wenn Personen, die schon mehrere traumatische Erlebnisse hatten, ein Emotionsregulationstraining bekommen, das spezifisch auf die von uns identifizierten Gehirnnetzwerke wirkt, sollte das zu einer höheren Resilienz gegenüber realen traumatischen Erlebnissen führen. Da sind wir dran."

Missstände beseitigen

Für Wilhelm bestätigt die Studie einmal mehr die gesellschaftliche Verantwortung bei der Prävention von psychischen Störungen, insbesondere im Kindesalter. "Etwa 50 Prozent der psychischen Störungen haben ihre Wurzeln in der Kindheit, aufgrund von erlebter emotionaler, körperlicher oder sexueller Gewalt – zuhause oder in anderen Kontexten, etwa dem Missbrauchsskandal in der Kirche. Aber auch Vernachlässigung aufgrund eines dysfunktionalen Elternhauses ist ein Problem."

Die meisten dieser Kinder würden als Erwachsene keine psychischen Störungen entwickeln, wenn es die Traumatisierungen nicht gegeben hätte, sagt Wilhelm. "Die Gesellschaft muss daran arbeiten, dass diese Missstände beseitigt werden. (red, 23.4.2019)