Paris – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag hunderten Einsatzkräften eine Medaille für ihren beispielhaften Mut verliehen. Unterdessen verschärfte sich der Streit um die Spenden von Superreichen für den Wiederaufbau. Der Unternehmer Bernard Arnault verbat sich Kritik an seiner Großspende von 200 Millionen Euro.

Macron empfing im Élysée-Palast hunderte Feuerwehrleute, Polizisten, Mitarbeiter des Roten Kreuzes und des Zivilschutzes. "Sie haben uns beispielhaft gezeigt, wie wir alle sein sollten", sagte der Präsident. Die ganze Welt habe live im Fernsehen verfolgen können, mit welchem Einsatz die Retter Notre-Dame in der Nacht auf Dienstag vor einem kompletten Einsturz bewahrt hätten. Auch die Stadt Paris wollte die rund 600 Einsatzkräfte am Donnerstagnachmittag ehren.

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Eine Drohne zeigt das Ausmaß der Zerstörung von oben.
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Streit um Spenden

Überschattet wurden die Feierlichkeiten durch einen Streit um Spenden: Linke Parteien, Gewerkschaftsführer und Aktivisten der Protestbewegung der Gelbwesten werfen reichen Unternehmern vor, den Brand in Notre-Dame für eine PR-Aktion zu ihren Gunsten zu nutzen.

Der Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH um die Marken Louis Vuitton, Dior und Fendi, Arnault, wies die Vorwürfe zurück: "Es ist bestürzend, dass man in Frankreich kritisiert wird, wenn man sich (für das Gemeinwohl) einsetzt", sagte er unter dem Applaus von hunderten Aktionären bei der Hauptversammlung seines Unternehmens.

Arnault kündigte an, seine Spende nicht steuerlich geltend zu machen. Ähnlich hatte sich zuvor bereits die Milliardärsfamilie Pinault geäußert, die 100 Millionen Euro für die Instandsetzung von Notre-Dame bereitstellen will. Insgesamt sind bereits rund 850 Millionen Euro zugesagt, der Großteil von Superreichen und Firmen.

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Schäden über dem Querschiff.
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Das Internationale Olympische Komitee will eine halbe Million Euro spenden, wie sein Präsident Thomas Bach ankündigte. Damit solle sichergestellt werden, dass die Arbeiten an der Kathedrale bis zu den Olympischen Sommerspielen in Paris 2024 beendet werden könnten, sagte er. Dieses Ziel hat Präsident Macron ausgegeben.

Ein General für den Wiederaufbau

Mit der Leitung des Wiederaufbaus hat Macron den Fünf-Sterne-General Jean-Louis Georgelin beauftragt. Der 70-Jährige sagte, er sehe die Aufgabe als "Kampf". Er werde "alle Teilnehmer für die Schlacht mobilisieren", damit der Wiederaufbau innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen werden könne.

Frankreichs Rechtspopulisten warnten vor einer übertriebenen Modernisierung von Notre-Dame. Im Gespräch sind unter anderem ein feuerfestes Stahldach statt des abgebrannten Dachstuhls aus Holz und ein gläserner Ersatz für den eingestürzten Spitzturm. "Wir sollten diesen Wahnsinn stoppen", sagte der Spitzenkandidat für die rechtspopulistische Nationale Sammlungsbewegung (Rassemblement National), Jordan Bardella. Der 23-jährige Mitarbeiter von Marine Le Pen forderte "absoluten Respekt für das französische Erbe".

Notre-Dame wurde im Laufe ihres mehr als 850-jährigen Bestehens mehrfach modernisiert, zuletzt im 19. Jahrhundert – aus dieser Zeit stammte auch der eingestürzte Turm des Architekten Eugène Viollet-le-Duc. Zunächst stehen jedoch weitere Arbeiten zur Sicherung der Kathedrale an. Laut Kulturminister Franck Riester wurden unter anderem beschädigte Stellen am Kirchenschiff sowie am südlichen Glockenturm verstärkt.

Holzkirche als Übergangslösung

Nach der Brandkatastrophe ist noch unklar, wie lange die Kathedrale geschlossen bleiben muss. Der Dekan der weltberühmten Kirche, Patrick Chauvet, brachte für die Zeit des Wiederaufbaus eine Holzkirche auf dem Vorplatz ins Spiel. "Wir dürfen nicht sagen, die Kathedrale ist für fünf Jahre geschlossen, und das war's", sagte er dem Sender CNews.

Es sei möglich, dass die Kathedrale schon bald wieder geöffnet werde, falls es die Sicherheit des Gebäudes erlaube, erläuterte eine Sprecherin der Pariser Diözese. Allerdings sei es noch zu früh, um darüber eine verlässliche Aussage zu treffen. Sie reagierte damit auf Spekulationen, wonach der Kirche bis zu sechs Jahre lang geschlossen sein könnte.

Notre-Dame-Dekan Chauvet sagte zu einer möglichen Holzkirche, dort könne man die zahlreichen Touristen willkommen heißen, die die weltberühmte Kathedrale besuchen wollten. Notre-Dame war bisher eine der Pariser Top-Attraktionen mit mehreren Millionen Besuchern im Jahr. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo unterstütze das Projekt, sagte Chauvet.

Eine Luftaufnahme des Brandes.
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90 Prozent der Kunstwerke gerettet

Klarer wird das Ausmaß des Brandes: Rund 90 Prozent der Kunstwerke und Reliquien in Notre-Dame sind nach Angaben eines Versicherungsexperten rechtzeitig vor den Flammen gerettet worden. Der Evakuierungsplan sei minuziös befolgt worden, sagte der Schadensachverständige Michel Honore, der den Domschatz im Auftrag der Versicherer begutachtet, am Mittwochabend.

"Der Plan selbst hat perfekt funktioniert, und deshalb sind die Verluste nicht so groß, wie man hätte befürchten können", sagte Honore in einem Telefongespräch nach einem Treffen mit weiteren Sachverständigen nahe der weltberühmten Kirche, die am Montag in Band geraten war. Er ist für die Begutachtung des Domschatzes ("Tresor") zuständig.

Der Kirchenschatz besteht aus 1.000 bis 1.200 Gegenständen von wertvollen Kelchen über historische Kirchengewänder bis hin zu großformatigen Gemälden. Hilfskräfte hatten das Inventar mit einer Menschenkette vor dem Flammen in Sicherheit gebracht.

Restauratoren am Zug

"Zu den ersten Stücken, die gerettet wurden, gehörten die Dornenkrone und der Nagel vom Kreuz", sagte Honore. "Sie standen ganz oben auf der Liste und wurden vorschriftsgemäß vorrangig herausgebracht." Die meisten großen Gemälde in der Kathedrale sähen unversehrt aus. Restauratoren müssten sie aber nochmals genau begutachten, um zu sehen, ob Ruß, Rauch oder Löschwasser sie nicht doch in Mitleidenschaft gezogen hätten. "Es herrscht große Zuversicht, dass die große Orgel in der Kathedrale nicht beschädigt ist, aber man muss auch hier genau nach Säurerückständen schauen", sagte Honore.

Jene Wertgegenstände, die in der Brandnacht in Notre-Dame zurückgelassen werden mussten, würden derzeit unter die Lupe genommen. Sie sollen Honore zufolge ins Louvre-Museum gebracht werden. Die geretteten Schätze wurden zunächst ins Rathaus gebracht, sollen aber ebenfalls höchstwahrscheinlich im Louvre landen. Dort könnten sie sicherer aufbewahrt werden.

Notre-Dame gehört seit 1905 dem französischen Staat. Er dürfte daher beim Wiederaufbau den Großteil der finanziellen Last tragen. Der zur französischen Axa gehörende Kunstspezialist Axa ART und ein weiterer Versicherer seien aber an der Versicherung der Kunstwerke in der Kathedrale beteiligt, sagte Honore. Nach früheren Angaben sind auch zwei der Firmen, die Teile von Notre-Dame renoviert haben, bei Axa versichert.

Unterstützungsangebot aus der Steiermark

Die steirische Holzwirtschaft sowie das Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz wollen Frankreich ihr Know-how für den Wiederaufbau von Notre-Dame anbieten: Die steirische Holzbautechnologie sei weltweit anerkannt, hieß es am Donnerstag aus dem Büro von Agrarlandesrat Johann Seitinger (ÖVP). In den kommenden Tagen werde mit der österreichischen Botschaft in Paris Kontakt aufgenommen.

Franz Mayr-Melnhof-Saurau, Aufsichtsratspräsident des Säge- und Bauholzkonzerns Mayr Melnhof Holz, und Gerhard Schickhofer vom Institut für Holzbau und Holztechnologie der Technischen Universität Graz unterstreichen das Know-How: "Mittlerweile verteilen sich unser Holzbauprojekte über die ganze Welt. Unsere Brettsperrholztechnologie ist beispielsweise auch für die komplexesten Konstruktionen einsetzbar und insbesondere statisch den meisten anderen Materialien überlegen. Zudem können auch brandschutztechnisch höchste Anforderungen erfüllt werden. Dem Holzbau sind in puncto Kubatur, Höhe und Form fast keine Grenzen gesetzt", sagte Mayr-Melnhof-Saurau. (APA, AFP, Reuters, 18.4.2019)