Wer in diesen Tagen einen Schokoladehasen oder ein Schokoladeei isst, könnte daran erinnert werden, dass auch ihre realen Vorbilder manchmal Opfer des elterlichen Appetits werden. Dass Tiere ihren Nachwuchs fressen, entbehrt auf den ersten Blick jeder evolutionären Logik. Nichtsdestoweniger kann dieses Verhalten bei vielen Arten beobachtet werden, bei Säugetieren, Vögeln und besonders häufig bei Fischen.

Wie in "Findet Nemo" kümmern sich bei vielen Arten der Riffbarsche die Männchen um die Brutpflege. In der Filmadaption nicht zu sehen, ist der Kannibalismus als Teil dieser Fürsorge.
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Hunger und Qualitätskontrolle werden als häufigste Erklärungen genannt, während sich elterliche Fürsorge dafür weniger anzubieten scheint. Genau das wird aber jetzt durch Versuche mit einem mathematischen Modell ins Spiel gebracht, zumindest bei begrenzten Ressourcen und damit reduzierter Überlebenswahrscheinlichkeit der Jungen.

Mathematisches Modell

Wissenschafter untersuchten den Zusammenhang zwischen der Zahl der Nachkommen mit elterlichem Kannibalismus bei eierlegenden Spezies. Sie fanden heraus, dass in einigen Arten die Größe des Geleges einen Einfluss darauf hat, ob Eltern ihren Nachwuchs im Stich lassen oder sogar auffressen.

Bei Riffbarschen beispielsweise war Kannibalismus der brutpflegenden Männchen bei schlechten Sauerstoffverhältnissen im Wasser wahrscheinlicher. Das führte zur Hypothese, dass das Imstichlassen oder Fressen der Nachkommen das Gesamtüberleben erhöhen soll, indem die interne Konkurrenz reduziert wird. Diese Vermutung untersuchten die Forscher in einem mathematischen Modell mit unterschiedlichen Voraussetzungen.

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Werden nicht nur von reichen Gourmets gegessen: Fischeier.
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"Im Modell wurde ein Individuum mit einer Mutation für elterlichen Kannibalismus oder Verlassen des Nachwuchses in eine reguläre Population eierlegender Tiere eingeführt", erklärt Studienautorin Mackenzie Davenport von der University of Tennessee. Wenn angenommen wurde, dass die Nachwuchssterblichkeit mit der Ei-Dichte steigt, verbreitete sich das "Kannibalismus-Gen" in der Gemeinschaft und führte zu besserer Gesundheit.

"Unter den untersuchten Bedingungen konnten die Mutanten die Restpopulation verdrängen. Überraschenderweise dienen Kannibalismus und Imstichlassen der elterliche Fürsorge, indem sie das Gesamtüberleben der übrigen Nachkommen erhöhen." Das war im Modell sogar unabhängig davon der Fall, ob die kannibalistischen Eltern Kalorien von der Zusatzmahlzeit erhielten.

Anpassung an schlechte Umweltbedingungen

"Es ist für Eltern nicht immer möglich, die Umweltbedingungen, die ihr Nachwuchs vorfinden wird, abzuschätzen", so Koautor Michael Bonsall von der University of Oxford zur Frage, warum Tiere überhaupt so viele Eier legen, wenn die Sterblichkeit der Nachkommen von ihrer Zahl abhängt. "Faktoren wie Nahrung, Sauerstoff, Krankheiten und Fressfeinde können sich unvorhersehbar ändern. Oft legen die Weibchen die Eier auch nur in die Nester der Männchen und verlassen diese dann, und bei vielen Arten fügen andere Weibchen noch weitere Eier zum Gemeinschaftsnest hinzu. Die optimale Gelegegröße ist damit nicht immer absehbar."

Die Forscher verweisen aber auf ihr rein mathematisches Modell. Weitere Experimente und Beobachtungen von anderen Spezies in freier Wildbahn müssen ihre Ergebnisse erst bestätigen. (pkm, 23.4.2019)