In Berlin sorgte automatisierte Gesichtserkennung für massive Proteste.

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Drohnen, Verbrechensvorhersage und nun Gesichtserkennung: Die österreichische Polizei greift immer stärker zu Mitteln, die man noch vor wenigen Jahren nur aus Hollywoodfilmen kannte.

Die zur Gesichtserkennung notwendige Software wurde kürzlich angeschafft und soll noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen – und zwar bei zahlreichen Delikten, wie die Futurezone am Donnerstag als erster berichtete. Eine Beschränkung auf Delikte mit einer gewissen Strafhöhe ist nicht vorgesehen, jedoch betont man im Bundeskriminalamt (BK), dass der Fokus dabei auf der Aufklärung schwerer Straftaten liege. Konkret sollen Bilder von Überwachungskameras, auf die Behörden zugreifen können, mit einer Referenzdatenbank der Polizei abgeglichen werden. Es werden also vorerst nur Fotos von Personen abgeglichen, die bereits polizeibekannt sind.

Keine Echtzeiterkennung geplant

Als eindeutiges Beweismittel sollen die Treffer der Software jedoch nicht genutzt werden, versichert Vincenz Kriegs-Au, Sprecher des Bundeskriminalamts, dem STANDARD. Eher könnten solche Programme als weiteres Mittel, etwa neben Fingerabdruckscans, gesehen werden, um Verbrechen aufzuklären. Die Software soll daher nur als Grundlage für weitere Untersuchungen verwendet werden.

Die Polizei will auch Bilder aus öffentlichen Einrichtungen nutzen. Eine Echtzeiterkennung sei jedoch nicht geplant, wie Reinhard Schmid, Leiter des zentralen Erkennungsdienstes im Bundeskriminalamt, auf Anfrage dem STANDARD sagt. "Bilder müssen ja erst aufbereitet werden" – etwa müssten aus einem Video jene Sequenzen herausgesucht werden, in denen die Beleuchtung passt.

"Eine Erkennung sagt noch lange nicht aus, dass die Person der Täter ist, sondern nur, dass sie dort gewesen sein muss", sagt Schmid. Ob die daraus resultierenden Gutachten als Beweismittel anerkannt werden, entscheiden letztlich die Justizbehörden. Wie hoch die Trefferquote ist, sei nicht bekannt, da noch praktische Erfahrungen fehlen würden. "Je größer die Datenbanken, desto besser die Erkennung", sagt Schmid.

Rechtlich fragwürdig

Kritiker sind besorgt angesichts der Auswirkungen von Gesichtserkennungssoftware. Die Technologie sei nicht perfekt, meinen Bürgerrechtler. So wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, dass die Erkennung von farbigen Personen weitaus fehleranfälliger sei als von weißen. "Es geht oft um die Aufnahmeposition", sagt Schmid, auch hellhäutige Personen würden bei schlechtem Licht schwer zu erkennen sein. Die Software arbeite aber nicht allein – "das schauen sich immer Experten an und beurteilen das". Oft gebe es mehr als einen Treffer, dann müsste genau ausgewertet werden.

Bilder von Überwachungskameras, auf die die Polizei dank dem Sicherheitspolizeigesetz zugreifen darf, sollen mit einer Referenzdatenbank der Polizei abgeglichen werden.
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Welche Software eingesetzt wird, könne Schmid nicht sagen, da er "keine Werbung" machen wolle, jedoch handle es sich um einen marktführenden Anbieter. Zudem orientiere man sich an anderen Polizeibehörden. Man nutze aber bloß die softwarespezifischen Algorithmen, die Oberfläche müsste noch an österreichische Rechtsbedingungen angepasst werden.

"Wir haben von Beginn an gewarnt, dass das das Nächste ist", kritisiert die Juristin Angelika Adensamer von der Grundrechts-NGO Epicenter Works. "Es werden Befugnisse eingeführt, die dann anders genutzt werden als ursprünglich gemeint war." Im Falle von Gesichtserkennung liege die daraus resultierende Gefahr klar auf der Hand. Aus ihrer Sicht sei eine solche Verwendung jedoch nicht rechtskonform. Das Bundeskriminalamt stütze sich auf das Sicherheitspolizeigesetz, solche Befugnisse seien jedoch dort nicht vorgesehen: So dürften solche Maßnahmen nicht eingesetzt werden, wenn eine Straftat abgeschlossen ist und keine unmittelbare Gefahr mehr droht, außer zur Fahndung. Dafür bräuchte es aber eine gerichtliche Festnahmeanordnung.

Noch weiter weg ist eine Überwachung durch eine Kennzeichenerkennung mit sogenannten Section-Control-Anlagen. Diese ist aktuell technisch gar nicht möglich. Die türkis-blaue Regierung gab an, dass sie dennoch kommen soll – sobald die Möglichkeit bestehe.

Racial Profiling in China

Diese Woche sorgte ein Artikel über den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware für weltweite Schlagzeilen. Diesem zufolge setzen die chinesischen Behörden offenbar auf das System der Gesichtserkennung, um die muslimische Minderheit der Uiguren in ganz China zu überwachen. Nach einem Bericht der "New York Times" wird Chinas immenses Netz an Überwachungskameras so programmiert, dass die Gesichtserkennung Uiguren aufgrund ihres Aussehens herausfiltern kann.

Die Wiener Polizei setzt neuerdings bei Demos Drohnen ein.
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Experten sagten dem Blatt, es sei das erste bekanntgewordene Beispiel einer Regierung, die bewusst künstliche Intelligenz für das sogenannte Racial Profiling einsetzt, das heißt für die Polizeikontrolle von Menschen aufgrund ihrer Haut- und Haarfarbe sowie ihrer Gesichtszüge. Die turksprachige Ethnie aus der Region Xinjiang unterscheidet sich oftmals im Aussehen von der Bevölkerungsmehrheit der Han. (Muzayen Al-Youssef, Markus Sulzbacher, 18.4.2019)