Ein Knochenbruch braucht üblicherweise etwa sechs Wochen, um wieder zu heilen. Bei Menschen, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, dauert die Knochenheilung noch länger.

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Ulm – Wenn Knochen brechen, dauert es meist Wochen, bis sie wieder verheilt sind. Forscher der Universität Ulm haben nun herausgefunden, dass chronischer psychosozialer Stress die Knochenheilung sehr verlangsamt. Außerdem konnten die Wissenschafter zeigen, dass sich diese stressbedingten Knochenheilungsstörungen durch den Betablocker Propranolol beheben lassen. Dieser blockiert die Kommunikation von Stresshormonen des sympathischen Nervensystems mit verschiedenen Immunzellen und verhindert damit eine stressvermittelte Überreaktion des Immunsystems.

Menschen, die Extremsituationen erlebt haben – ob im Krieg, auf der Flucht sowie als Missbrauchs-, Gewalt- oder Verkehrsunfallopfer – leiden häufig unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Die Folgen einer solchen extremen Stresserfahrung machen sich nicht nur psychisch, sondern auch physisch bemerkbar. So sind Menschen mit PTBS deutlich häufiger von chronisch-entzündlichen Erkrankungen betroffen, auch das Frakturrisiko ist deutlich erhöht. "Wir haben uns deshalb gefragt, ob sich ein solches Stresssyndrom auch negativ auf die Frakturheilung auswirkt", erklärt Stefan Reber, Leiter der Sektion für Molekulare Psychosomatik an der Ulmer Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

Gemeinsam mit dem Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik der Universität Ulm haben die Wissenschaftler nun erforscht, ob und wie sich chronischer psychosozialer Stress auf Knochenheilungsprozesse auswirkt. Das Ergebnis der Studie: Ein zentraler molekularer Mechanismus ist dafür verantwortlich, dass sich chronischer Stress negativ auf das Immunsystem und die Regeneration von Knochengewebe auswirkt.

Gestörtes Immunsystem

Über die Blockade dieses Signalwegs ließ sich die Frakturheilungsstörung schließlich medikamentös aufheben. "Bricht sich jemand das Bein, treten kurz danach an der Bruchstelle lokale Immunreaktionen auf. Der Körper sondiert sozusagen die Lage und beseitigt schadhaftes Gewebe. Mit der Zeit überwachsen Knochenzellen den bruchbedingten Spalt und der Bruch heilt ab", erklärt Anita Ignatius, Direktorin des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik.

Bei langanhaltendem Stress kommt es jedoch zu Störungen dieser akuten immunologischen Prozesse und zu einem Überschießen der Entzündungsreaktion. So entwickeln sich einerseits im Knochenmark vermehrt Immunzellen wie Neutrophile Granulozyten, die an der Bruchstelle in die dort entstandenen Hämatome einwandern. Andererseits ist die Umwandlung von Knorpel zu Knochen und damit die Knochenneubildung gestört, wie die Ulmer Forscher nachweisen konnten.

Die Biegesteifigkeit der Knochen nimmt messbar ab, und das neu gebildete Knochengewebe an der Bruchstelle wird nicht mehr so hart. Ein weiteres Ergebnis der in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlichten Untersuchung: Die überschießende Immunreaktion und die Störung der Geweberegeneration wird über einen molekularen Signalweg vermittelt, an dem bestimmte Rezeptoren beteiligt sind, die auf Adrenalin reagieren (ß-Adrenozeptoren).

Mausmänner unter Stress

Demnach besteht eine Verbindung zum sogenannten sympathischen Nervensystem, das Teil des vegetativen Nervensystems ist und über das der Körper auf Stress und Gefahren reagiert. "Dieser Adrenalin-vermittelte Signalweg konnte durch die Gabe von Propranolol unterbrochen werden. Damit normalisierten sich nicht nur die Immunreaktionen, sondern auch die Knochenheilung verlief wieder ungestört", fasst Melanie Haffner-Luntzer, Molekularmedizinerin vom Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, das Ergebnis der Studie zusammen.

Erforscht wurde dieser Mechanismus im Mausmodell. Dazu steckten die Wissenschafter männliche Mäuse 19 Tage lang gemeinsam in einen Käfig. Die von Unterordnung und Dominanzverhalten geprägten sozialen Interaktionen bedeuten für die Männchen ein hohes Maß an Stress. Dieses sogenannte "chronic subordinate colony housing" (CSC) Modell gilt auch als präklinisch validiertes Mausmodell für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD).

"Die grundlegenden Erkenntnisse aus dieser neuen Studie bringen nicht nur Licht in das komplexe Wechselspiel zwischen Nervensystem, Immunsystem und Geweberegenation. Sie werden auch dabei helfen, Knochenbrüchen bei Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen wirkungsvoller zu behandeln", sind die Forscher überzeugt. (red, 18.4.2019)