Im Juni vor 75 Jahren ermordeten SS-Polizisten in dem Dorf Distomo in Mittelgriechenland 218 Menschen. Zuvor waren drei deutsche Soldaten von Partisanen getötet worden – die Dorfbewohner hatten freilich nichts damit zu tun. Bevor die SS-Division Distomo verließ, brannte sie auch noch das Dorf nieder. Es sind Verbrechen wie diese, aber vor allem ein Besatzungsdarlehen, das griechische Politiker heute anführen, wenn sie von Deutschland Wiedergutmachung fordern.

Die Mehrheit der griechischen Abgeordneten nahm am Mittwoch einen Vorschlag eines parlamentarischen Ausschusses an, nun formell Reparationszahlungen von Deutschland anzustreben. Die Regierung sollte dafür "alle geeigneten diplomatischen und rechtlichen Schritte unternehmen", heißt es in dem Text. Vor der Abstimmung erklärte Premierminister Alexis Tsipras, Griechenland werde eine verbale Note nach Berlin schicken, in der es seine "unveräußerlichen Rechte" auf eine Entschädigung wiederholen werde.

"Die Forderung nach deutschen Kriegsreparationen ist für uns eine historische und moralische Schuld", sagte Tsipras und fügte hinzu, dass diese zu einer "besseren Zukunft" in den bilateralen Beziehungen beitragen würde. Er wies das Argument zurück, Griechenland wolle die Ansprüche dazu verwenden, um eine Verringerung seiner Schulden auszuhandeln.

Keine Ansprüche bei Wiedervereinigung

Bei den Forderungen gegenüber Deutschland geht es um die materielle Zerstörung und den Abbau der Produktionskapazitäten des Landes während der Besatzungszeit ab 1941, Entschädigungen für Angehörige der Opfer, die Rückzahlung des Zwangsdarlehens und die Rückgabe gestohlener archäologischer Schätze. Der Darlehensbetrag, den Griechenland wegen der "Besatzungskosten" abzuliefern hatte, belief sich auf 476 Millionen Reichsmark, die die griechische Nationalbank 1942 auf deutschen Druck ausgeben musste.

Deutschland leistete bereits nach dem Krieg gegenüber Griechenland Reparationszahlungen. 1960 wurden zusätzlich 115 Millionen D-Mark "zugunsten der aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen griechischen Staatsangehörigen" und Hinterbliebenen bezahlt. Berlin argumentiert nun, dass weitere Forderungen seitens Griechenlands illegitim seien, weil Athen bei der Wiedervereinigung Deutschlands keine Ansprüche geltend gemacht hat.

Frage laut Deutschland "endgültig geklärt"

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte diese Woche diese Position. "Die Frage der deutschen Reparationen ist sowohl rechtlich als auch politisch endgültig geklärt", sagte er und fügte hinzu, dass die Deutschen "sich der historischen Verantwortung bewusst sind". 2014 richtete Deutschland einen Zukunftsfonds für die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis in Griechenland mit einem jährlichen Budget von einer Million Euro ein.

Griechenland erhob in den vergangenen Jahren immer wieder Forderungen. Im Oktober wählen die Griechen zudem ein neues Parlament, und das Thema könnte auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. Der griechische Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis, dessen konservative Nea Dimokratia in Meinungsumfragen führt, unterstützt die Forderungen. 2016 schätzte eine Kommission des griechischen Parlaments die Ansprüche auf bis etwa 270 Milliarden Euro. Der Konflikt könnte irgendwann vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag landen.

Eine andere Forderung kommt von der Jüdischen Gemeinde Thessaloniki an die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolger der Deutschen Reichsbahn. Als 58.000 Juden aus Thessaloniki in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert wurden, zwang die SS ihre Opfer dazu, die Fahrkarten selbst zu bezahlen. (Adelheid Wölfl, 18.4.2019)