Nico Hoppe stellte im Kommentar der anderen die provokante Frage: Askese oder Endzeit?. Bjørn Lomborg kritisierte zuvor die überhitzte Klimadebatte. Beide Gastkommentare wurden nicht nur in den Onlineforen debattiert, es erreichten uns auch zahlreiche Leserbriefe. Im Folgenden eine Auswahl:

Es ist an der Zeit zu handeln!

Bjørn Lomberg spricht von "Jahrzehnten der Panikmache" durch Erwachsene, die den Weltuntergang voraussagen, und plädiert für einen "ruhigen Ansatz". Aber genau die jahrzehntelange Untätigkeit der Erwachsenen, die das Klimaproblem immer schlimmer werden ließ, ist es, wogegen sich die Jugendlichen wehren. Auch wenn in zwölf Jahren die Welt nicht untergeht, so sagt der letzte IPCC-Bericht ganz klar: Jede weitere Erwärmung, jedes zehntel Grad, macht etwas aus und führt zu mehr klimabedingten Schäden; vielleicht nicht sofort bei uns, sondern anderswo in den ärmsten Regionen der Erde; manchmal langsam und anfangs fast unbemerkt; oft katastrophal und irreversibel. Lombergs Aussage, dass "der Klimawandel die Orkanschäden zwar steigern wird, dass uns unser größerer Reichtum jedoch noch widerstandsfähiger dagegen macht", erscheint in diesem Licht geradezu zynisch.

Der IPCC-Bericht macht auch klar, um eine weitere Klimaveränderung aufzuhalten, sind unverzüglich drastische Maßnahmen notwendig. Jedes Jahr, das wir ungenutzt verstreichen lassen, macht es noch schwieriger. Es geht nicht um Untergangsvisionen und Zivilisationsfeindlichkeit, wie Nico Hoppe schreibt. Es geht um nichts weniger als eine weitreichende Transformation. Das haben die jungen Demonstranten verstanden. Es geht um eine konsequente Dekarbonisierung des Energiesystems und um eine neue Vision von Mobilität und Zusammenleben. Dazu braucht es Innovation, zukunftsorientiertes Denken und politische Rahmenbedingungen. Es geht aber auch darum, unsere Konsumgewohnheiten zu hinterfragen. Sind größer, stärker, schneller wirklich die einzigen erstrebenswerten Ziele, oder gibt es noch andere Qualitäten? Es ist an der Zeit zu handeln und eine neue positive Zukunftsvision zu entwickeln. Jeder, der die wissenschaftlichen Fakten ignoriert, die vom Menschen verursachte Klimaänderung kleinredet und die notwendigen Maßnahmen infrage stellt oder zu verzögern versucht, wird – wie auf vielen Transparenten zu lesen – Teil des Problems.

Renate Christ, ehemalige Direktorin des IPCC-Sekretariats in Genf

Die Zukunft selbst in die Hände nehmen: Berliner Schülerinnen im Klimastreik.
Foto: APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

Einen kühlen Kopf gibt's nur mit Klimaschutz!

In seinem Kommentar der anderen schreibt Bjørn Lomborg, dass die Debatte über Klimaschutz "überhitzt" geführt wird, und er behauptet, dass der Klimawandel ein vergleichsweise harmloses Problem ist. Dabei verdreht er die Fakten und lässt Wichtiges weg. So erklärt er etwa, dass die Anzahl der tropischen Wirbelstürme nicht zugenommen habe. Was er weglässt, ist, dass die Klimawissenschaft nicht unbedingt vor einer erhöhten Anzahl, sondern vor stärkeren Wirbelstürmen warnt. Er ignoriert auch, dass der letzte Weltklimabericht klar belegt, dass jedes Zehntelgrad Temperaturzunahme massive Auswirkungen hat.

In den nächsten zehn Jahren entscheidet sich, ob hunderte Millionen Menschen in die Armut kippen, Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden und ob es zu einem Massensterben bei vielen Tier- und Pflanzenarten kommt. Für Lomborg mögen das untergeordnete Probleme sein, für die Menschen, die es betrifft, geht es um die nackte Existenz. Das haben viele Schülerinnen und Schüler begriffen und gehen gegen diese düsteren Zukunftsaussichten auf die Straße.

Lomborg meint, dass die Proteste nichts bringen und wir stattdessen kühlen Kopf bewahren sollen. Unerwähnt bleibt, dass alle gut gemeinten Appelle an die Vernunft in den letzten Jahrzehnten ungehört blieben. Die Schülerinnen und Schüler fordern letztlich nur, dass die Politik die gegebenen Versprechen auch einhält. Ob der Protest jetzt gehört wird, ist nicht sicher. Wir können es nur hoffen und die Jugendlichen unterstützen, denn klar ist: Wenn wir einen kühlen Kopf bewahren wollen, dann geht das nicht auf einem überhitzten Planeten, sondern nur mit mehr Ambition beim Klimaschutz.

Johannes Wahlmüller, Klima- und Energie-Kampaigner bei Global 2000

Katastrophendefinition

Der IPCC-Bericht gibt Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten bestimmter Szenarien in Abhängigkeit von Emissionen an. Was meistens unerwähnt bleibt, sind die Risiken extremer Klimaänderungen, die aber immer noch Wahrscheinlichkeiten von bis zu zehn Prozent haben. Kein Mensch würde in ein Flugzeug steigen, wenn jedes zehnte abstürzt. Sehr wohl würde man aber eine solche Absturzserie völlig zu Recht in den Medien als Katastrophe bezeichnen. Lomborg hat offensichtlich entweder den IPCC-Bericht nicht gelesen oder ihn nicht verstanden.

Georg Kury, Meteorologe

"Mit Gejohle gegen Kohle".
Foto: APA/AFP/ODD ANDERSEN

Subventionen für fossile Energien streichen!

Bjørn Lomborg irrt in einigen Punkten seines Beitrages. Zur Aussage "Sonne und Wind liefern weniger als ein Prozent der weltweiten Energie" ist anzumerken, dass die Sonne direkt genutzt wird durch Photovoltaik und Solarthermie und indirekt durch Wind, Wasser und Biomasse. Die von der Sonne abgeleiteten, erneuerbaren Energien decken weltweit zwölf Prozent des Energiebedarfs und nicht ein Prozent, wie Lomborg meint, und in vielen Ländern der Welt, so auch in Dänemark, dem Land, aus dem Lomborg stammt, mehr als 30 Prozent des Energiebedarfs.

Zur Aussage: "Die Welt muss mehr in die Erforschung der grünen Energien investieren, um die Preise irgendwann unter jene der fossilen Brennstoffe zu drücken." Dank der 30-jährigen Forschung sind die Preise der grünen Energien schon stark gesunken, doch solange weltweit die fossilen Energien hohe Subventionen bekommen und nicht für die Umweltschäden ihres Einsatzes durch Internalisierung der externen Kosten zahlen müssen, wird sich an ihrer Vormachtstellung auf den Märkten trotz der verstärkten Forschung nicht viel ändern.

Weit wichtiger als die sicher auch notwendige Fortsetzung der Forschung ist aber die Streichung aller Subventionen für fossile Energien und eine CO2-Abgabe auf fossile Rohstoffe, wie sie in einigen skandinavischen Ländern mit Erfolg praktiziert wird.

Der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf über 410 ppm zu Beginn dieses Jahres ist mehr als beunruhigend; das ist ein Wert wie im Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren, als die Durchschnittstemperatur um drei Grad Celsius und der Meeresspiegel um 20 bis 30 Meter höher war als derzeit. Dorthin bewegen wir uns, wenn wir weiter nur forschen und nicht die Rahmenbedingungen schaffen, die zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien beitragen.

Lomborgs Gastkommentar ist eine Verharmlosung des Klimawandels durch einen kühnen Zirkelschluss: Viele Staaten nehmen die Verpflichtungen aus dem Paris-Abkommen nicht ernst, daher ist das Problem nicht ernst zu nehmen. Diese Schlussfolgerung ist falsch. Ich bin den Schülerinnen und Schülern dankbar, dass sie gegen eine solche Fehlinterpretation und die Verharmlosung der Bedrohung ihrer Zukunft durch den Klimawandel streiken.

Heinz Kopetz, Graz

Meine Generation hat vieles übersehen

Der Kommentar von Nico Hoppe – "Askese oder Endzeit" – kann nicht unwidersprochen bleiben. Es ist eine vielfach belegte und bewiesene Tatsache, dass Wasser, Luft und Erde seit Beginn der industriellen Revolution aus reiner Profitgier und Gewinnmaximierung gewissenlos verschmutzt, verdreckt und leider auch vergiftet worden sind. Schon in meiner Kindheit – ich bin Jahrgang 1952 – ist mir dies massiv aufgefallen, und ich habe mich in den 1960er-Jahren darüber oft gewundert. Meine Eltern sprachen damals immer von der "Selbstreinigungskraft der Erde". Andere Erwachsene argumentierten, dass die Erde so groß sei, dass ihr ein bisschen Schmutz überhaupt nichts ausmachen würde. Das hat sich als unwahr herausgestellt.

Die weltweiten Verschmutzungen und Umweltschäden sind von seriösen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern differenziert dokumentiert worden. Schon vor Jahrzehnten hätte man mit Nachdruck gegensteuern müssen, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Leider haben die grünen Bewegungen nicht die Unterstützung gefunden, die sie verdienen. Die Friday-for-Future-Proteste kommen meiner Meinung nach sehr spät. Meine Generation hat bei dieser Thematik leider vieles übersehen, bagatellisiert oder bewusst in Kauf genommen. Ich bin glücklich über die aktuelle Klimaschutzbewegung und solidarisiere mich damit – mit einem Gefühl der Dankbarkeit und Hoffnung. Hoppe scheint es entgangen zu sein, dass es sowohl um Zivilisationsfreundlichkeit als auch um Naturfreundlichkeit geht: Hand in Hand!

Ralph Illini, Wien

Klimaprotest in Paris: "Papa, Mama, ich schwänze die Schule, während der Planet vertrocknet."
Foto: apa/afp

Von wo kommen negative Stimmungen?

Es ist das Besondere am STANDARD, dass im Kommentar der anderen eben andere, Widerspruch provozierende Meinungen zu Wort kommen. Dem Gastkommentar "Askese oder Endzeit" von Nico Hoppe muss ich entschieden widersprechen! Hoppe vertritt drei Thesen, die so nicht im Raum stehen gelassen werden dürfen.

Erstens, dass der Mensch dem restlichen Teil der Natur überlegen ist. Das ist reiner Rassismus und absolute Überheblichkeit! Der Mensch kann und muss partizipatorisch mit der Natur leben. Wir haben nicht das Recht, diese zu zerstören!

Zweitens, dass es die in der Aufklärung postulierte Freiheit erlaubt, so zu leben, wie es den einzelnen Menschen gefällt. Das ist eine Pervertierung der Gedanken der Aufklärung. Dort geht es in erster Linie um die Freiheit vor Zwang und um jene des Geistes (Don Carlos), aber in keinem Fall wird hier ein Freibrief zu uneingeschränktem Handeln ausgestellt. Dazu gibt es ein sehr interessantes Theaterstück im vielgescholtenem Volkstheater: "Verteidigung der Demokratie".

Drittens behauptet der Autor, dass ein kritisches Denken über unseren derzeitigen Umgang mit der Umwelt eine negative Grundeinstellung zum Leben provoziert: "Misanthropie, Untergangsvisionen, Zivilisationsfeindlichkeit!" Hoppe möge doch genauer hineinhören, von wo negative Stimmungen und die bekannten Hasspostings herkommen, eher von den Rechten oder von den Grünen?

Hannes Wächter, per Mail