Dieselbesitzer können wahrscheinlich noch heuer Nachrüst-Kits kaufen.

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Bamberg/Königswinter – In Deutschland tobt heftiger Streit um Diesel-Abgas, Fahrverbote, Grenzwerte und vor allem Nachrüstlösungen für Euro-5-Dieselautos. In Städten wie Stuttgart versucht die deutsche Regierung die Fahrverbote für diese Autos zu vermeiden. Ungeachtet der Unsicherheiten und der neuen Debatten um eine Lockerung bei den Euro-5-Fahrverboten stehen Hardware-Nachrüster mit ihren Angeboten in den Startlöchern.

"Wir bleiben auf unserem eingeschlagenen Weg", sagte der zuständige Vorstand beim Hersteller Baumot, Stefan Beinkämpen, der Deutschen Presse-Agentur. Zur Jahresmitte würden die fahrzeugspezifischen Anträge beim deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gestellt, noch heuer könnten Dieselbesitzer die Nachrüst-Kits kaufen. Auch Konkurrent Mangold-Oberland will im Frühsommer seinen ersten Antrag beim KBA einreichen und noch heuer Systeme liefern können.

Nachmessungen abgeschlossen

Die Firma Dr Pley Technologies aus Bamberg hingegen will schon dieser Tage ihren Antrag vervollständigen. Die erforderlichen Nachmessungen seien abgeschlossen. "Damit haben wir alle Anforderungen der Nachrüstrichtlinie erfüllt", sagte Firmenchef Martin Pley. Er könnte damit eine der ersten Genehmigungen deutschlandweit erhalten.

Laut deutschem Verkehrsministerium liegen bisher vier unvollständige Anträge vor. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, könne das KBA binnen zwei Wochen die Genehmigungen erteilen.

Dass es so lange dauert, liegt nach Angaben der Hersteller auch an den strengen Vorgaben des KBA. 270 Milligramm Stickoxid je Kilometer dürfen die Autos im Realbetrieb noch ausstoßen. "Die geforderten Grenzwerte und Nachweise an die Stickoxid-Reduzierung sind dabei zum Teil deutlich höher als für aktuelle Euro-6-Systeme", kritisiert man bei Baumot. Auch hätte der Hersteller gern mehr Unterstützung von der deutschen Bundesregierung. Eine reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent wäre denkbar, ebenso wie staatliche Zuschüsse für private Pkw, fordert Vorstand Beinkämpen. "Die politische Diskussion müsste zielorientierter sein", sagte Beinkämpen. "Für die Gesellschaft geht es um die Klimaziele, für den einzelnen Autobesitzer um den Werterhalt."

Finanzielle Unterstützung bei Nachrüstung

Die deutschen Hersteller haben sich nur mit Murren auf Zuschüsse eingelassen, sie favorisieren Software, um die Abgaswerte zu verbessern. Bisher unterstützen nur Daimler und Volkswagen ihre Kunden finanziell bei der Nachrüstung. Der Wolfsburger Autokonzern wird aber nicht müde zu betonen, dass Nachrüstlösungen "technisch, wirtschaftlich und auch unter Umweltgesichtspunkten mit Nachteilen verbunden" seien. Die deutsche Bundesregierung gibt Geld nur für Verbesserungen an Handwerkerautos.

Dabei stellt sich für Autofahrer die Frage, ob sich die Nachrüst-Kits überhaupt lohnen. Ein flächendeckendes Fahrverbot für Euro-5-Diesel gibt es bisher in keiner deutschen Stadt. In Hamburg beispielsweise sind nur einzelne Straßen für die nicht mehr ganz neuen Diesel gesperrt. Für Stuttgart kündigte die dortige grün-schwarze Landesregierung in der vergangenen Woche an, angesichts neuer Prognosen zur Luftreinhaltung auf flächendeckende Euro-5-Fahrverbote zu verzichten und nur einzelne Straßen zu sperren. Gelingt die Einhaltung der Grenzwerte allerdings nicht wie prognostiziert, müsste die Landesregierung wohl wieder umsteuern.

Kritik von der Umwelthilfe

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe kritisierte Politiker, die die Botschaft vermittelten, es werde nicht zu Fahrverboten kommen: "Es ist unverantwortlich, dass Regierungspolitiker die Bürger in vermeintlicher Sicherheit wiegen", sagte er. Dann würden aber auch die Luftbelastungen in den Städten nicht zurückgehen.

Martin Pley, Gründer und Chef des gleichnamigen Unternehmens, sieht die Diskussion deshalb gelassen. Am EU-Grenzwert für Stickstoffdioxide sei nicht zu rütteln. "Auch nicht außer Acht lassen darf man die Kompensation von Wertverlusten im Gebrauchtwagenmarkt durch die Hardware-Nachrüstung."

Nach Schätzungen des Zentralverbands des Kraftfahrzeuggewerbes standen Ende 2018 noch rund 190.000 unverkaufte Euro-5-Diesel auf den Höfen deutscher Autohändler. Mithilfe der Nachrüstlösungen könnten Restwerte stabilisiert werden, sagte ein Sprecher des deutschen Branchenverbands ZDK (Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, Anm.).

Hoher Aufwand

Dennoch hat sich ein erster Hersteller bereits von dem Plan abgewandt. Marktführer HJS aus dem sauerländischen Menden will keine Nachrüstlösungen für Pkw anbieten. "Das unternehmerische Risiko für uns als mittelständisches Unternehmen ist zu groß um eigenständig in den Pkw-Markt einzusteigen", sagte Stefan Lefarth, der bei HJS für Strategie und Produktinnovationen zuständig ist.

Aus der Sicht von HJS sind Aufwand und Komplexität bei der Hardware-Nachrüstung für Autos immens. Zunächst müssten grundsätzlich geeignete Fahrzeuge identifiziert werden, dann gebe es viele Unterschiede innerhalb der Baureihen, sagte Lefarth. Front-, Heck- oder Allradantrieb genau wie Automatikversionen wirkten sich auf die Emissionen des Motors aus. "Die Komplexität der Pkw-Nachrüstung können wir als Mittelständler nur im engen verantwortlichen Schulterschluss mit einen Hersteller stemmen." HJS konzentriere sich daher auf den Nachrüstmarkt für Nutzfahrzeuge.

Deutschlandweit waren im Oktober 2018 noch 5,5 Millionen Diesel der Euro-5-Norm in Deutschland zugelassen. Baumot hingegen schätzt das Potenzial in den besonders betroffenen Städten auf 1,3 Millionen Autos. Bei Kosten von um 3.000 Euro pro System beliefe sich der Gesamtmarkt also auf knapp vier Milliarden Euro. (APA, 19.4.2019)