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Viele kleine Stromerzeuger und Konsumenten bilden gemeinsam lokale Netze, die kostengünstiger sowie weitgehend energieautark und CO2-neutral sein sollen.

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Nicht immer können Besitzer einer Fotovoltaik-Anlage oder auch eines Windrades den generierten Strom zur Gänze selbst nutzen. Warum nicht die überschüssige Energie an Nachbarn verkaufen, die keinen Strom produzieren? Möglich machen dies sogenannte Microgrids, die mittlerweile in Pilotprojekten getestet werden – also kleine, dezentrale und möglichst CO2-neutrale Netze, in denen Strom lokal erzeugt und auch konsumiert wird.

Eines der größten dieser Projekte läuft derzeit in einem Stadtviertel Bangkoks. Aufgrund der vielen Sonnenstunden ist die Stadt gut geeignet für den Test, erklärt Gerhard Gamperl, im Verbund-Konzern für Entwicklung, Strategie und Innovation zuständig. Zusätzlich brauche man ausreichend Solarpaneele, um die Energiespeicher zu speisen. "Wenn man am Abend nach Hause kommt, wird Strom aus dem Speicher gewonnen und über die Blockchain mit den Nachbarn direkt abgerechnet."

Win-Win für alle

Zunächst mag es kurios anmuten, dass just jene weiterentwickelte Technologie, die hinter der wegen ihres enormen Energiehungers kritisierten Kryptowährung Bitcoin steht, den Energiemarkt effizienter und auch klimafreundlicher gestalten soll. Gamperl ist diesbezüglich aber zuversichtlich. "Das Ziel lautet 20 Prozent weniger Strombezug von außen und minus 15 Prozent bei der Abrechnung – also ein Win-win für alle", sagt er über das thailändische Pilotprojekt.

Dabei soll es freilich nicht bleiben, die dahinterstehende australische Firma Power Ledger will das System ihrer Microgrids auch in den USA, Japan, Neuseeland oder Indien ausrollen. Die EU steht zum Ausbau teilautonomer Energienetze, und auch der Verbund hat bereits gemeinsam mit der FH Salzburg in Köstendorf einen Testballon für ein abgespecktes Mikrostromnetz auf Blockchain-Basis steigen lassen, in dem die Nachbarn untereinander Strom handeln konnten. Fazit des Ende des Vorjahrs abgeschlossenen Projekts: Es habe gut funktioniert, sagt Gamperl.

Energieautark

Auf lange Sicht sollen auf diese Weise über Jahrzehnte vor allem im ländlichen Raum immer mehr Regionen entstehen, die zwar mit dem öffentlichen Netz verbunden bleiben, aber im Grunde weitgehend energieautark sind. Um ihr Geschäft müssten sich herkömmliche Versorger wie der Verbund aber keine Sorgen machen, sagt Gamperl. Die städtischen Ballungsräume würden großteils deren Abnehmer bleiben, ebenso die Industrie. Ändern könnte sich aber die Art und Weise, wie die Versorger den Strom verkaufen – wobei neuerlich die Blockchain-Technologie ins Spiel kommt.

Konsumenten könnten etwa ihre Standardlastprofile, also gewissermaßen persönliche Verbrauchsprofile, in die Blockchain stellen und sich dafür von ausgewählten Versorgern Angebote für die nächsten zwölf Monate legen lassen – und beim günstigsten zuschlagen. Charme gewinnt das System dadurch, dass man ergänzende Bedingungen stellen kann: etwa, dass 50 Prozent aus Windenergie im näheren Umkreis von Wien stammen sollen, 30 Prozent Solarenergie aus der Bundeshauptstadt und 20 Prozent aus dem Kraftwerk Freudenau.

Mehr Druck auf die Versorger

Die Blockchain garantiert Gamperl zufolge, dass die Stromlieferungen tatsächlich aus diesen Quellen stammen – nicht physikalisch, aber wirtschaftlich. So können Konsumenten mehr Druck auf die Versorger ausüben, verstärkt auf regenerative Stromquellen zurückzugreifen. "Das wird ein Push für erneuerbare Energien werden", ist Gamperl überzeugt. Realität soll dieses System ihm zufolge binnen fünf, spätestens zehn Jahren werden.

Was sonst noch bei Energie über die Blockchain laufen kann? Gamperl sieht die Technologie nicht als "Allheilmittel", erwartet aber, dass sich im Energiebereich noch einiges entwickeln wird, das noch nicht einmal absehbar sei. Ihre Vorteile spiele die Blockchain aus, wenn Vertrauen unter vielen Akteuren nötig ist – denn sie gilt als sicher, schnell, günstig und braucht zur Abwicklung von Geschäften keine Mittelsmänner. Zudem sei sie nicht manipulierbar – oder wie es Gamperl formuliert: "Blockchain ist wie Karma, sagen die Inder. Einmal abgespeichert, bleibt es für immer." (23.4.2019)