In den sachlich-nüchternen Jahren der Ära Kreisky war es nicht immer einfach, zum praktischen Kern heimischer Kirchenarbeit vorzudringen.

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Die Feuersbrunst, welche unlängst Notre-Dame verheerte, fraß sich am uralten Holz aus Frankreichs Wäldern satt. Es gereicht uns Kulturkatholiken erheblich zum Trost, dass unseren Dom zu Sankt Stephan unter seiner Haut aus Dachschindeln ein stählernes Gerippe stützt. Dieser Umstand wiegt auch den Wiener Dompfarrer in Sicherheit. Er hält umso emsiger Nachschau, welche Leckereien sich Promis zur Spargelzeit auf ihre Buffetteller laden.

Praktischer Kern heimischer Kirchenarbeit

In den sachlich-nüchternen Jahren der Ära Kreisky war es nicht immer einfach, zum praktischen Kern heimischer Kirchenarbeit vorzudringen. Die eigenen Konsultationen der lokalen Kirchenjugend galten dem Interesse, frisch erblühten Vertreterinnen des schönen Geschlechts möglichst ungezwungen zu begegnen.

Stieß man auf jugendbewegte Vertreter der Geistlichkeit, so erkannte man sie nicht gleich. Sie trugen Selbstgestricktes statt strenger Soutanen am Leib und gaukelten umfangreiches sexualkundliches Wissen vor. Einige ihrer Tüchtigsten zeigten sich derart umfassend in das Themengebiet eingearbeitet, dass die eine oder andere Jugendliche bald ein Kindlein unter dem Herzen trug. Mich, der ich die Folgen für die Betroffenen nicht absah, fraß insgeheim der Neid. Manch ein Geistlicher fand sich hingegen in einer asiatischen oder andenrepublikanischen Diözese wieder, wo er gewiss viel Gutes bewirkt hat.

Konfekt für alte Damen

Ich selbst, ein bald maturierender Babyboomer, bekundete gegenüber dem zuständigen Jesuiten meine Bereitschaft, praxisnah Gutes zu tun. Meine Unbedarftheit verhalf einer slowenischen Köchin im Pflegeheim Lainz zu wöchentlichen Besuchen, die ich der Dame, versehen mit reichlich Konfekt, pflichtschuldig abstattete.

Die 80-jährige Olga besaß die Höflichkeit, so zu tun, als erfülle meine sporadische Anwesenheit sie mit Freude. Währenddessen sah ich während der kommenden Jahre, wie die Muskulatur ihrer Beine abstarb und die blühende Greisin stückweise verfiel. Versuche, sie wenigstens temporär von ihrer Matratzengruft zu erlösen, wurde von Pflegerinnen im Keim erstickt. Olga durfte qua Muskelschwund ernten, was nur das Zusammenwirken zweier besonders segensreicher Institutionen sät: Kirche und Gemeinde. (Ronald Pohl, 24.4.2019)