Zehntausende Gaspartikel organisieren sich spontan in einer kristallinen Struktur und weisen gleichzeitig eine gemeinsame makroskopische Wellenfunktion auf.

Illustration: Uni Innsbruck

Innsbruck – Fest und regelmäßig wie ein Kristall und im Inneren doch reibungslos in Bewegung – so lässt sich der seltsame Zustand der Suprasolidität beschreiben. Ein Team um die Innsbrucker Physikerin Francesca Ferlaino hat nun diesen schwer nachweisbaren Effekt in Quantengasen aus den stark magnetischen Elementen Erbium und Dysprosium beobachtet. In letzterem entpuppte er sich als erstaunlich stabil.

Die Wissenschafter vom Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) um Ferlaino sind Vorreiter auf dem Gebiet der Forschung an sogenannten dipolaren Quantengasen. Diese zeigten sich bereits mehrfach als geeignete Systeme, um neue Einsichten in exotische Quantenzustände zu erhalten.

Schwieriger Nachweis

Ein solcher ist auch die bereits 1969 theoretisch vorhergesagte Suprasolidität. In diesem paradoxen Zustand sind die Teilchen wie in einem Kristall zwar regelmäßig angeordnet, bewegen sich aber trotzdem ohne jegliche innere Reibung wie in einer Supraflüssigkeit. Bisher wurde vorrangig versucht, Suprasolidität mit ihren widersprüchlichen Eigenschaften in flüssigem Helium nachzuweisen – was nicht eindeutig gelang.

"Jüngste Experimente haben gezeigt, dass dipolare Quantengase grundlegende Ähnlichkeiten mit suprafluidem Helium aufweisen", so die Erstautorin der aktuellen Studie, Lauriane Chomaz. Das hätten Experimente in Innsbruck und Stuttgart gezeigt. In bis knapp über dem absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) abgekühlten Quantengasen wurden zwei Forschungsgruppen aus Tirol nun fündig. In diesem Temperaturbereich haben die Atome ihre Individualität völlig verloren und verhalten sich mehr wie eine Welle.

Neue Untersuchungsmöglichkeiten

Die Wissenschafter identifizierten "einen Zustand, in dem sich die mehreren Zehntausend Gaspartikel spontan in einer selbstbestimmten kristallinen Struktur organisieren und gleichzeitig eine gemeinsame makroskopische Wellenfunktion aufweisen – beides Merkmale von Suprasolidität", so Chomaz. Indem sie die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen gezielt regelten, regten die Physiker dieses Verhalten sowohl in Erbium- als auch in Dysprosium-Quantengasen an.

"Während in Erbium das suprasolide Verhalten wie bei aktuellen, bemerkenswerten Experimenten in Pisa und Stuttgart nur vorübergehend erscheint, ist es im Dysprosium-Quantengas beispiellos stabil", so Ferlaino. In letzterem konnte es durch das sukzessive Entfernen energiereicher, also warmer Teilchen direkt hergestellt werden. Vor allem durch die Langlebigkeit dieses Zustandes eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Untersuchung exotischer Materie, erklärte die Physikerin. (APA, red, 24.4.2019)