Kunst, die organisch und technoid zugleich wirkt: Alexandra Birckens "Honda Honda Bionda Onda" (2017, rechts) und Anna Holtz’ Installation "Dynasty" (2019, links).

Foto: N. V.

Passt sie nicht hinein oder bricht sie gerade aus? Die Wölbungen von Hintern und Busen drücken sich von innen aus dem Drahtgitter, auch Arme und Fußspitzen drängeln ins Freie eines überdimensionalen Hasenkäfigs auf Rädern. "Sie" ist eine in Fragmenten angedeutete Körperhülle, gemacht aus grobem, gehärtetem Strick, der an eine Ritterrüstung denken lässt. Darüber hat Alexandra Bircken ein mit blonder Wallemähne bedrucktes Halstuch drapiert. Ex heißt die Arbeit von 2017, eine heitere Anspielung auf die Bezeichnung für Verflossene, womöglich sind aber auch andere Exit-Strategien gemeint.

Skulptural und brachial

Bircken, Jahrgang 1967 und seit 2018 Professorin für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München, hat Modedesign am Saint Martins College in London studiert, ihr eigenes Label gegründet, dann begonnen, das Verhältnis zwischen Körper und Hülle künstlerisch zu untersuchen. Es geht dabei auch um die Schnittstellen zwischen menschlichen und Maschinenkörpern.

Und es kann dabei recht brachial zugehen, etwa wenn die deutsche Künstlerin Motorräder zersägt, um sie zu bizarren neuen Arrangements zusammenzuflicken. Oder wenn sie, wie aktuell in Schwaz zu sehen, Biker-Klischees plakativ auf die Spitze treibt und blondes Haar aus zerlegten Motorradtanks hängen lässt. Die aus textilen Materialien, Maschinenteilen, Holz, Stahl oder auch Latex gemachten skulpturalen Objekte erfahren gerade einige Aufmerksamkeit. Dieses Jahr ist Bircken in der Hauptausstellung der Venedig-Biennale vertreten.

Geflechte aus Büstenhaltern

Die Galerie der Stadt Schwaz zeigt zwei ihrer Arbeiten neben solchen der jungen Künstlerin Anna Holtz. Auch sie interessiert sich dafür, welche sozialen oder ökonomischen Implikationen bestimmte Materialien mitbringen. BH-Bügel zum Beispiel: Aus den in Bitumen getränkten Behelfen für weibliche Form und Norm entstehen filigrane Geflechte, die sie wie Basketballkörbe an die Wand hängt oder zu ornamentalen Wandobjekten kombiniert.

Dass die Verkaufszahlen von Unterwäsche manchen Wirtschaftsforschern zufolge als Indikator für die Wirtschaftsentwicklung gelten, weil in Krisenzeiten daran als Erstes gespart wird, bleibt hier allerdings nur eine Fußnote. Holtz’ Beschäftigung mit den Klauen und Gesetzen der Konsumwelt tritt anderswo deutlicher zutage – sie dockt damit auch an lokale Gegebenheiten an:

Semmeln dienen als Sockel für ein knapp über dem Boden aufgebahrtes Drahtgeflecht, das sich als der Grundriss jenes Einkaufszentrums entpuppt, das vor einigen Jahren brutal ins Schwazer Stadtzentrum geklotzt wurde. Die Sieger eines zuvor ausgetragenen Architektenwettbewerbs wurden dreist übergangen, die Tatsache, das der Name "Stadtgalerie" bereits an die alteingesessene Kunstinstitution der Kleinstadt vergeben war, ebenso. Die Shoppingmall hat einfach ein "n" drangehängt. (Ivona Jelčić, 23.4.2019)