Auf den ersten Blick wirkt die Ankündigung schlüssig: Da die USA entschlossen sind, das iranische Regime mit wirtschaftlichem Druck in die Knie zu zwingen, ist es nur logisch, dass nun die letzten Lücken im Ölembargo gegen Teheran geschlossen werden. Im November hatte Washington acht Ländern ein halbes Jahr Zeit gegeben, um sich nach neuen Erdöllieferanten umzuschauen. Diese Frist läuft im Mai aus und wird – trotz anderslautender Erwartungen – nicht verlängert. Wer dennoch iranisches Öl kauft, muss mit US-Sanktionen rechnen.

Auf den zweiten Blick aber ist nichts an dieser Entscheidung einfach. Die Trump-Regierung begibt sich hier wirtschaftlich und politisch auf ein glattes Parkett, auf dem sie allzu leicht auszurutschen droht.

Zunächst sollte man nicht vergessen, dass die US-Sanktionen international keine rechtliche Verankerung haben. Nur eine Handvoll von Staaten wie Saudi-Arabien und Israel unterstützen den Kurs der US-Regierung. Sie steht ziemlich allein da, hat aber dank der Dominanz des Dollars im weltweiten Zahlungsverkehr mächtige Druckmittel in der Hand.

Nun hat der Einsatz von Sekundärsanktionen gegen Drittstaaten, die sich nicht an die einseitigen Beschlüsse der Supermacht halten, in Washington Tradition; auch enge Verbündete wurden davon in der Vergangenheit getroffen. Diesmal aber steht mit China ein Staat im Visier, der von iranischem Öl stark abhängig ist und sich dem US-Druck nicht leicht beugt.

Explodierende Spritpreise

Die erste Reaktion auf die Ankündigung kam vom Rohölmarkt, wo der Ölpreis wegen des drohenden Komplettausfalls iranischer Exporte in die Höhe schoss. Schon ertönen Warnungen vor explodierenden Spritpreisen im Sommer, wenn Millionen US-Bürger im Auto unterwegs sind. Doch diese Gefahr ist gering: Saudi-Arabien und andere Opec-Staaten haben genügend Kapazitäten, um den Iran als Öllieferant zu ersetzen.

Auf solche Alternativen setzen offenbar Japan und Indien, die beide die US-Sanktionen gegen Teheran einhalten wollen. Für den nationalistischen indischen Premier Narendra Modi, der gerade um seine Wiederwahl kämpft, ist dies allerdings ein schmerzhaftes Zugeständnis, das die Beziehungen zu den USA in Zukunft belasten könnte.

Bei China wiederum spielt die US-Drohung in den Handelsstreit hinein. Ein Schritt, der die Energieversorgung des Landes gefährdet, wird sich sicherlich auf die Verhandlungen zwischen Washington und Peking über Ausweitung oder Einstellung der beidseitigen Strafzölle auswirken. Hier wird die Sache explosiv: Nicht nur die Aktienmärkte, die Trump so am Herzen liegen, reagieren sensibel auf alle Nachrichten von der USA-China-Front. Auch bei den Prognosen für die Weltkonjunktur wiegt kein Einzelfaktor so schwer wie die Frage, ob sich die beiden Wirtschaftsgiganten einigen oder einen echten Handelskrieg vom Zaun brechen. Ob das bekannt chaotische Weiße Haus bei diesem Beschluss die Gefahr einer Rezession bedacht hat, darf bezweifelt werden.

Ebenso unsicher ist der Erfolg der ganzen Anti-Iran-Strategie. Für geschmuggeltes Erdöl wird Teheran immer noch Abnehmer finden – dessen Erlöse dann noch mehr in die Taschen der Revolutionsgarden fließen. Die iranische Politik hat auf Druck der USA noch nie mit Mäßigung reagiert – im Gegenteil. Und dem Traum vom Sturz des Mullah-Regimes jagen US-Präsidenten schon 40 Jahre lang hinterher. (Eric Frey, 23.4.2019)