Merkel (links) und Weber könnten einander noch in die Quere kommen.

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Vier Wochen vor den Europawahlen geht der Wahlkampf der Spitzenkandidaten um das Amt des künftigen EU-Kommissionspräsidenten in die Intensivphase. Den Auftakt machte am Dienstag Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), der aktuell stärksten Fraktion im EU-Parlament. Er gilt als Favorit im Rennen gegen Frans Timmermans, Sozialdemokrat und Vizepräsident der Kommission.

Weber suchte sich Athen als Ort der Präsentation eines Zwölf-Punkte-Programms aus: seines künftigen "Regierungsprogramms". Es enthält drei thematische "Prioritäten" mit "zwölf konkreten Zusagen" an die rund 507 Millionen EU-Bürger. Die EU-Politik müsse "sicher, smart und menschlich" gestaltet werden.

Die sich daraus ableitenden politischen Schwerpunkte der EVP seien Sicherheit, digitaler Wandel und soziale Lösungen bei der Modernisierung der Union. Webers Hauptkontrahent Timmermans hat bei einer TV-Konfrontation vergangene Woche vor allem die soziale Sicherheit, Europas Werte und Fairness ins Zentrum seiner Kampagne gerückt.

Strenge Kontrollen

Eine konkrete Zusage Webers bezieht sich auf die Stärkung der EU-Außengrenzen im Kampf gegen illegale Migration. Als Kommissionspräsident möchte er den – von den nationalen Regierungen erst vor wenigen Wochen verzögerten – Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex auf 10.000 Mann beschleunigen. Früher als geplant sollen diese bereits 2022 einsatzfähig sein. Die Grenzschützer sollen in nationale Kompetenzen eingreifen können, gut ausgestattet mit Schiffen, Flugzeugen und Drohnen. Eine erneuerte Polizeibehörde, ein europäisches FBI, das aus Europol hervorgehen solle, müsse es ebenso geben (Stichwort: Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität) wie ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, verspricht Weber.

Er will der Wohnungsnot den Kampf ansagen und fünf Millionen Arbeitsplätze, vor allem für junge Menschen, schaffen.

In der Auseinandersetzungen um EU-Werte und Rechtsstaatlichkeit mit Ungarn und Polen will der CSU-Politiker konkrete Akzente setzen: Ein unabhängiges Gremium soll gebildet werden, das Grundrechtsverletzungen durch Regierungen feststellt, noch bevor die Union ihre schärfsten juristischen Waffen auspackt.

Wohl Dreierpakt nötig

Ob Weber selbst bei einem Wahlsieg Juncker nachfolgen wird, ist längst nicht sicher. Wie Timmermans hat auch er das Problem, dass sich erst einmal eine einfache Mehrheit im EU-Parlament finden muss, die ihn im Juli nach der konstituierenden Sitzung wählt. Nach neuesten Umfragen wird dazu eine Koalition von EVP und Sozialdemokraten nicht reichen. Sie kämen nach herben Verlusten gemeinsam auf nur 330 von 751 Sitzen. Es braucht also drei Fraktionen, um den Nachfolger von Juncker zu küren.

Dazu kommt, dass der Spitzenkandidat in den eigenen Reihen infrage gestellt wird. Juncker sagte zu Ostern in Interviews, er könne sich nicht vorstellen, dass die deutsche Kanzlerin nach dem Ausscheiden aus der Regierung in Berlin einfach in Pension gehe. Sie könnte in der EU ein hohes Amt übernehmen, "hochqualifiziert" wäre sie, erklärte Juncker, "sie ist nicht nur eine Respektsperson, sondern auch ein liebens wertes Gesamtkunstwerk". Das würde Weber hinauskicken: Zwei Deutsche in EU-Spitzenämtern sind wegen des Machtausgleichs der EU-Mitglieder undenkbar. (Thomas Mayer aus Brüssel, 24.3.2019)