Gustav Klimts "Judith" von 1901 verführt ihr Publikum derzeit im Tokyo Metropolitan Museum.

Foto: Johannes Stoll / Belvedere Wien

Alpenländisches Flair als Exportgut gibt es mit Klimts "Nach dem Regen (Garten mit Hühnern in St. Agatha)" von 1898 im Programm.

Foto: Belvedere, Wien

Ebenso wie mit seinem "Schloss Kammer am Attersee III" (1909/10).

Foto: Johannes Stoll © Belvedere, Wien

Auch Klimts unvollendetes "Damenbildnis in Weiß" von 1917/1918 ist in Japan zu Gast.

Foto: Belvedere, Wien

Die "Goldene Woche" steht vor der Tür. Erstmals in der Geschichte Japans dauert die Feiertagsperiode, auf die ein ganzes Land jährlich hinfiebert, sogar noch etwas länger. Aufgrund der Thronbesteigung von Kronprinz Naruhito hat die Regierung auch den 1. Mai zum Feiertag erklärt.

Flüge werden also noch teurer und die Warteschlangen noch länger. Auch im Ueno-Park inmitten der Zehn-Millionen-Metropole sind bereits erste Absperrungen aufgebaut. Noch betreffen sie nur die Besucher des Zoos, bald könnten sie auch jene des Metropolitan Art Museum betreffen, das nebenan liegt. Hier bricht in den kommenden Monaten eine "Goldene Periode" an.

Buhlen um Publikum

Sie bezeichnet jene Phase im Schaffen Gustav Klimts, in der er seine Werke mit Blattgold überzog. In der die Ornamente noch ornamentaler und Bilder zu regelrechten Schmuckstücken werden. Die 1901 geschaffene Judith mit den lasziv blinzelnden Augen und der entblößten Brust ist ein frühes Beispiel. Im Metropolitan Museum teilt sie sich einen Raum mit der Nuda Veritas, der nackten Frau mit Spiegel, Stein und Schlange, mit der Klimt seinen Gegnern zur Zeit der Sezessionsgründung die Stirn bot. Einen Raum weiter hat man den Beethovenfries maßgetreu nachgebaut.

Womit einige der Hauptwerke benannt sind, mit denen derzeit das Wien der Jahrhundertwende einen großen Auftritt in Tokio hinlegt. Oder sollte man besser sagen: Mit denen zwei der wichtigsten Museen der Stadt und mit ihnen die beiden wichtigsten Medienunternehmen des Landes um Aufmerksamkeit und Publikum buhlen?

Kooperation von Stadt und Bund

Flankierend zur Klimt-Ausstellung im Metropolitan Museum, die am Ostermontag eröffnete und in Kooperation mit dem Bundesmuseum Belvedere ausgerichtet wird, zeigt das National Art Center die Schau Wien auf dem Weg in die Moderne. Sie eröffnete am Tag darauf und ist im Verbund mit dem derzeit geschlossenen Wien-Museum der Stadt Wien entstanden. Finanziert wird die Klimt-Ausstellung von Asahi Shimbun, einem der größten Medienunternehmen des Landes, die Wien-Schau von dessen größtem Konkurrenten The Yomiuri Shimbun. Beide zahlen an die Wiener Museen Summen im hohen sechsstelligen Bereich. Genaue Zahlen sind niemandem zu entlocken. So viel zu den Hintergründen der größten Wiener Fin-de-Siècle-Ausstellungen in Tokio seit Jahrzehnten.

In den Vordergrund möchte diese aber keiner der Beteiligten rücken. Lieber spricht man davon, dass Österreich und Japan in diesem Jahr 150 Jahre diplomatische Beziehungen feiern. Tourismus- und Wirtschaftsdelegationen haben sich deshalb an die Fersen der über 500 Kunstwerke geheftet, die in Japans Hauptstadt geflogen wurden. Der Botschafter gibt einen Empfang, gleich zwei Wiener Stadträte (Finanz und Kultur) sind dabei. Viele der Beteiligten sehen die Warteschlangen, die in den nächsten Monaten vor den Tokioter Museen prognostiziert werden, auch schon vor heimischen. Das Belvedere bereitet vorsorglich ab Sommer ein Zeitfenstersystem für den Eintritt vor.

Klimts japanische Einflüsse

Potenzial haben die beiden Publikumsschauen ja: Während das Wien-Museum seine Dauerausstellung beinahe zur Gänze nach Japan verschiffte und die Veränderungen der Stadt und ihrer Künste weit ausholend von Maria Theresia bis hinein ins frühe 20. Jahrhundert zeigt, konzentriert sich das Belvedere in seiner gelungenen Klimt-Personale auf eine biografische Darstellung unter Berücksichtigung der Einflüsse Japans auf den Künstler.

Die Flächigkeit japanischer Kunst, ihre perspektivischen Verschiebungen und leuchtenden Farben hatten es Klimt angetan. In der Hintergrundmalerei bevorzugte der Maler später zwar chinesische Motive, in der Gesamtkomposition orientiert er sich aber an japanischen. Zum Beispiel am Bildnis von Eugenia Primavesi, genannt Mäda. Sie war eine jener großbürgerlichen Mäzenatinnen, die Klimt neben namenlosen Modellen bevorzugt malte. Das leuchtend farbige Bild ist wie ein Mosaik aufgebaut, aus dem nur Kopf und Hände ragen. Vorder- und Hintergrund liegen auf einer Ebene, aus dem oberen rechten Eck lugt ein chinesischer Phönix hervor.

Vom Arbeitskittel zum Waschlappen

Den Porträts widmet man im Metropolitan Museum genauso einen Schwerpunkt wie den Landschaftsbildern. Klimts Porträt von Emilie Flöge ist das Prunkstück der Wien-Museum-Schau, die auch mit dem blauen Arbeitskittel des Meisters aufwarten kann. Im Metropolitan Museum ziert dieser immerhin die Waschlappen im Museumsshop.

Leider sind sich die beiden Schauen auch in der Ausklammerung jeglicher negativer Töne einig. Dass Klimts Porträtierte zumeist jüdischer Herkunft waren und die weitere Geschichte der Bilder ein dunkles Kapitel der österreichischen Geschichte darstellt, ist ihnen keine Silbe wert. Eine makabre Pointe liefert am Ende der Audioguide der Wien-Museum-Ausstellung: Er behauptet, die goldenen Zeiten des Wiener Fin de Siècle würden bis heute andauern. Als ob es keinen kompletten Bruch gegeben hätte. (Stephan Hilpold aus Tokio, 24.4.2019)