Mächtige Luftigkeit: Die Brüder Tschiedel haben das Ziegelwerk ihres Opas zu einem prachtvollen Wirtshaus umgebaut.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Geschmorte Lammschulter mit toll knackigem Mangold, sautierten Radieschen und Austernpilzen auf Selleriepüree.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Werner Tschiedel hat schon das deutsche Konsulat in New York bekocht, dabei seine Lebensgefährtin Julia Weber kennengelernt, dann das wunderbare (und demnächst von den Mochis als japanoide Tapas-Bar neu übernommene!) Côté Sud in der Schleifmühlgasse aufgesperrt. Die vergangenen paar Jahre hat er sich aber der alten Ziegelei seiner Familie in Wimpassing an der Leitha, gerade über der Grenze zum Burgenland, gewidmet.

Gemeinsam mit Julia und seinem Bruder Roland baute er den alten Industriebau zu einem Wirtshaus um: Der frühere Kalkofen wurde zu einer prachtvollen Bäckerei mit zwei Holzbacköfen, aus denen später einmal auch allerhand Pizzas und Flammkuchen geschossen werden sollen. Einstweilen backen die drei ihr – wirklich sehr gutes – Brot nur für das angeschlossene Wirtshaus, das auf den Grundmauern der alten Ziegelei errichtet wurde. Und das ist, man kann es nicht anders sagen, wirklich exemplarisch schön geworden. In einer Gegend wie dieser, wo die Traum-Eigenheime in allen möglichen und unmöglichen Proportionen und Farben wie die Schwammerln aus der flachen Landschaft schießen, wirkt so ein rundum gelungenes, mit Achtsamkeit und Mut aus der alten Form geschältes Werk umso spektakulärer.

Toller Gastgarten

Der Gastgarten rund um den alten Industrieschornstein ist auch sehr prächtig, die Weinkarte wurde mit richtig gutem – und extrem preiswürdigem – Stoff von der Creme burgenländischer Winzer bestückt, mit Robert Stark (Reiner Wein) und Moritz Herzog (Weinskandal) haben aber auch zwei der spannendsten jungen Weinhändler der Hauptstadt köstliche Flaschen von weiter her beigesteuert. Es ist also eine gute Idee, rechtzeitig einen "designated driver" zu nominieren.

Das Brot ist wirklich fantastisch, jenes aus Weizensauerteig extrem knusprig und ein bissl rauchig im Nachhall, das Roggen-Dinkelbrot mit toller Krume und einem sehr animierenden Duft nach Bockshornklee: Julia Weber ist die Bäckerin, sie stammt aus Vorarlberg, wo das Gewürz eine jahrhundertealte Tradition hat. Es schmeckt besonders gut zur Hühnerleber-Paté, einer gemeingefährlich geilen Köstlichkeit mit ordentlich Port und Cognac (und noch mehr Obers) – das dazu servierte geröstete Brioche ist für sich zwar auch grandios, in der Kombination wird es aber fast ein bissl viel. Dafür sind die in Essig eingelegten Kirschen sauer aromatische Wonneproppen von einem uralten Baum aus dem Nachbarort Wampersdorf, der zwar dieselbe Postleitzahl hat, aber schon über dem Fluss in Cisleithanien liegt.

Apropos Transleithanien

Das pannonische Erbe lässt sich abseits der Weine an zahllosen subtilen Details ablesen. An den Knusperzwiebeln zum kurz gebratenen Zwiebelrostbraten zum Beispiel, die zart mit Paprika aromatisiert sind (und ganz wunderbar mit dem lebhaften Pfalz-Riesling von Tina Pfaffmann korrelieren), oder am dunkelrot gleißenden Schmorkraut zu außen hauchfeinen, innen knusprigen Grammelknödeln.

Lammschulter vom Krainer Steinschaf wird löffelweich geschmort und mit sehr dichtem Jus, aber auch mit toll knackigem Mangold, sautierten Radieschen und Austernpilzen auf Selleriepüree serviert. Gebackene Kalbsfledermaus ist samt herausragend abgeschmecktem Erdäpfelsalat ein Wiener Schnitzel für Fortgeschrittene und, nicht zuletzt, für solche, die sich auch beim Schnitzel auf guten Fleischgeschmack freuen.

Fazit: Ein beeindruckend unprätentiös bekochtes, wunderschönes Wirtshaus, das verspricht, die bislang oft übersehene Region mit beachtlicher Strahlkraft zu versehen. (Severin Corti, RONDO, 26.4.2019)

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