Es ist eines der Geräte aus der Sci-Fi-Kultserie Star Trek, das immer wieder als Vision und Vorbild für reale Erfindungen dient. Der "Tricorder" ist ein handliches Gerät, das einfach an schmerzhafte oder auffällige Körperstellen gehalten wird und automatisch diagnostiziert, wo das Problem liegt.

Ähnliches verspricht nun auch ein Projekt, das auf der Crowdfundingplattform Indiegogo zum Renner geworden ist. Radotech (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen deutschen Molkereitechnikhersteller) soll nach Scans verschiedener Körperpunkte binnen drei Minuten umfassende Informationen zur eigenen Gesundheit liefern. Rund 112.000 Dollar (etwa 100.000) Euro hat man in nur einer Woche gesammelt, tausende Nutzer wollen also den Scanner, den es ab einer Unterstützungssumme von 249 Euro gibt, haben. Das Trackingtool Backertracker schätzte das Finanzierungspotenzial auf bis zu 280.000 Dollar (Stand: 24.4.). Doch das Grundkonzept von Radotech hat ein gravierendes Problem.

RaDoTech

Zweifelhafte Annahmen

Das Unternehmen beruft sich im Kampagnentext auf Erfahrungen der Forschung in den letzten 60 Jahren. Das wirkt natürlich auf den ersten Blick seriös. Dann allerdings erläutert man die Methodik genauer. Konkret soll Radotech den elektrischen Hautwiderstand an 24 Akupunkturpunkten messen. In der Lehre der Akupunktur sind zahlreiche Punkte in unserem Körper an sogenannten Meridianen gelegen, die sie als "Bahnen" mit bestimmten Organen verbinden, was Behandlungsoptionen per Nadel, Druck oder elektrische Stimulation eröffnen soll. Auf Letzteres spezialisiert ist das aus Japan stammende, esoterische Konzept "Ryodoraku", welches der Radotech-Gründer propagiert.

Wissenschaftlich werden die Annahmen der Akupunktur allerdings stark in Zweifel gezogen. Zwar gibt es unter den, je nach Praxis, tausenden beschriebenen Punkten auch welche, an denen es eine höhere Dichte an freien Nervenenden gibt, deren Stimulation etwa die Freisetzung von Endorphinen anregen kann, die schmerzstillend und entspannend wirken können. In klinischen Tests linderte dies etwa Rückenschmerzen, erwies sich aber nicht als signifikant effektiver als Scheinbehandlungen, fasst etwa "Profil" zusammen. Für die Existenz der Meridiane oder der Lebensergie "Qi" fehlt der Nachweis.

RaDoTech

Fragwürdige Versprechen

Ebenfalls in Zweifel zu ziehen ist die Aussagekraft des an diesen Punkten gemessenen Hautwiderstands. Die Methode kommt etwa bei Körperfettwaagen zum Einsatz, gilt dort aber – weil in der Regel nur zwei Messpunkte an den Fußsohlen genutzt werden – als eher ungenau. Zum Einsatz kommt sie zudem für die Messung psychischer Anspannung, erklärt die Website der Universität Graz.

Oft ist sie dabei Teil einer umfassender Untersuchungen für sogenanntes "Biofeedback", bei dem psychophysiologische Zusammenhänge erkundet werden. Hierbei messen aber noch zahlreiche andere Sensoren aber noch andere Werte abseits des Hautwiderstands. Eingesetzt wird Biofeedback auch in der Marktforschung, um etwa die Reaktion beim Betrachten von Werbesujets zu analysieren. Die Radotech-Entwickler geben allerdings an, nur über den Hautwiderstand beispielsweise Störungen der Nierenfunktion ablesen und per App anzeigen zu können, wie unsere "Organe und Systeme auf funktionaler Ebene miteinander interagieren".

Man versucht, dem Gerät einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Tatsächlich steht ein esoterisches Konzept dahinter.
Foto: Radotech

Soll auch an Ärzte vermarktet werden

In diesem Lichte erweckt auch der weitere Kampagnentext einen problematischen Eindruck. Denn dank Radotech könne man künftig auf zahlreiche Arztbesuche, Bluttests oder gar Computertomographie verzichten. Die Übermittlung eines zuhause angefertigten Scans sei ausreichend, um Ergebnisse zu bekommen und den eigenen Lebensstil basierend darauf zu ändern.

Das Gerät soll zumindest darauf hinweisen, einen Arzt aufzusuchen, wenn es problematische Werte misst. Zudem will man den Scanner auch an Privatärzte, Fitnesstrainer, Ernährungsberater und andere Berufsgruppen vermarkten, die diese an ihre Patienten ausgeben und anschließend ihr Messdaten erhalten können.

Kein Beleg für angebliche Studie

Weiters gibt man an, Radotech sei erfolgreich klinischen Tests unterzogen worden. Jedoch bleibt man die Angaben schuldig, an welchen Institutionen diese Tests durchgeführt worden sind. Erst in den "weiterführenden Fragen" stellt man klar, dass Radotech ein "Gadget" und kein "medizinisches Gerät" sei und man dementsprechend auch keine Freigabe der Gesundheitsbehörden (FDA) benötige.

Radotech erinnert in seiner Konzeption an ein frühes Gerät namens Ryodoku, das auf dem Ryodoraku-Konzept basiert und ebenfalls als Esoterik einzustufen ist. Ein in den USA entwickelter Nachfolger wurde von der FDAaufgrund seiner Versprechen mangels Zulassung aus dem Verkehr bezogen, klärt das Esoterik-Watchblog Psiram auf.

Kampagne nun "unter Begutachtung"

Die Finanzierungskampagne für den "Tricorder" sollte noch bis Ende Mai laufen. Mit dem bereits erzielten Betrag wurde das Ursprungsziel um ein Mehrfaches überschritten. Kürzlich ist allerdings auch Indiegogo offenbar darauf aufmerksam geworden, dass der "Tricorder" wohl kein seriöses Produkt ist.

Das Projekt befindet sich nun "in Begutachtung", bis die Finanzierungsplattform über das weitere Vorgehen entscheidet. Dementsprechend können die Radotech-Betreiber derzeit kein weiteres Geld einsammeln. Sollte Indiegogo die Kampagne abdrehen, wird auch kein Geld an sie fließen. (gpi, 03.05.2019)