Für die Türkei sind die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran bedeutend. Wenig Verständnis zeigt daher die Regierung unter Präsident Erdoğan für das Ende der Ausnahmen von den Iran-Sanktionen.

Foto: afp

Was Spannungen mit den USA für die Türkei bedeuten, zeigte sich am Mittwoch wieder einmal am Kursverlauf der Lira. Mit 5,87 Lira pro Dollar erreichte die türkische Währung einen Wert, der nicht mehr weit vom letzten Tiefststand im vergangenen Sommer entfernt ist.

Hintergrund dafür dürfte das Ende des Waiver-Programms sein, das am 1. Mai auslaufen wird. Es umfasste Ausnahmeregelungen der USA für acht Staaten, die trotz Sanktionen noch dazu berechtigt waren, Öl aus dem Iran zu importieren. Die USA wollen damit einen Regimewechsel in Teheran erzwingen. Ankara hatte auf eine Verlängerung der Ausnahmeregelung gehofft.

Außenminister enttäuscht

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu äußerte sich dementsprechend enttäuscht auf Twitter: "Die Entscheidung der USA, die Ausnahmeregelungen iranischer Ölimporte zu beenden, ist für Frieden und Stabilität in der Region nicht förderlich. Die Türkei lehnt unilaterale Sanktionen ab und lässt sich nicht in ihre nachbarschaftlichen Beziehungen hineinreden." Tatsächlich sind gute Wirtschaftsbeziehungen zum Iran für die Türkei wichtig. 2017 war der Iran der wichtigste Erdöllieferant für die Türkei. Durch die Ausnahmeregelung konnte die rohstoffarme Türkei noch 60.000 Barrel pro Tag aus dem Iran beziehen. Bevor die USA unter Trump wieder Sanktionen eingeführt hatten, waren es noch 200.000 Barrel pro Tag gewesen.

Üble Erinnerungen

Zudem lässt die Regelung unangenehme Erinnerungen wach werden. 2013 hatte ein Korruptionsskandal im Zusammenhang mit Iran-Sanktionen die türkisch-amerikanischen Beziehungen massiv belastet. Damals kam heraus, dass der türkisch-iranische Geschäftsmann Reza Zarrab Geschäfte zwischen beiden Ländern eingefädelt und dabei die Sanktionen umgangen hatte. Unter Zarrabs Ägide tauschte die Türkei im großen Stil Gold gegen iranisches Erdöl. Teheran war damals wie heute wieder vom elektronischen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Für die Abwicklung sorgte die türkische Halkbank, die Gold im Wert von 13 Milliarden Dollar nach Teheran bringen ließ.

In den Skandal waren zahlreiche hochrangige Politiker verwickelt – und enge Familienangehörige von Erdoğan. Dadurch kam es zum folgenreichen Bruch Erdoğans mit der Gülen-Bewegung, die der türkische Präsident als Urheber einer Schmutzkampagne sah. Zarab wurde 2016 in den USA verhaftet und wegen Geldwäsche angeklagt. Die USA dürften insofern ein scharfes Auge darauf haben, dass sich Ähnliches nicht wiederholt.

Streit um Raketenabwehr

Belastend auf das türkisch-amerikanische Verhältnis wirkt sich zudem immer noch der Streit um das russische Abwehrsystem S-400 aus. Nach wie vor rückt Ankara nicht vom geplanten Kauf der Abwehrraketen ab. Washington droht im Gegenzug dazu mit Sanktionen, sollte die Türkei als Nato-Mitglied tatsächlich ein russisches Waffensystem kaufen. Konkret bedeutet dies zunächst, dass Ankara von den Lieferungen des neuen Kampfjets F35 ausgenommen wird. Wirtschaftliche Sanktionen könnten folgen.

Und schließlich sorgt eine Resolution des US-Kongresses für Unmut in Ankara. Mehr als 100 Abgeordnete haben bereits eine Petition unterzeichnet, die zum Ziel hat, die Ermordung von hunderttausenden Armeniern durch osmanische Truppen im Ersten Weltkrieg einen Völkermord zu nennen. Das Gedenken an die Massaker jährte sich am Mittwoch zum 104. Mal.

All dies trifft die Türkei in einer wirtschaftlichen ohnehin schon sehr angespannten Lage. Die Arbeitslosigkeit liegt auf einem Rekordhoch, die Inflation verharrt bei rund 20 Prozent. Ihre Unzufriedenheit machten viele Bürger bei den Kommunalwahlen am 31. März Luft. Erstmals seit 20 Jahren siegte die Opposition in den wirtschaftsstarken Metropolen Ankara und Istanbul. (Philipp Mattheis, 25.4.2019)