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Heimische Erdäpfel werden zur Mangelware. Schuld sind die Dürre und Schädlinge. Im Vorjahr mussten 130.000 Tonnen aussortiert werden. Nun macht sich ein Teil der Bauernschaft für verstärkten Pestizideinsatz stark.

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An drei Standorten in Wien – am Heldenplatz sowie bei der Staatsoper und der Universität Wien – marschierten am Donnerstag rund 120 Bäuerinnen und Bauern auf, um publikumswirksam den Versorgungsengpass zu beklagen.

APA/Fohringer

Heimische Erdäpfel sind besser, so lautet einmal mehr das Credo.

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Spritzmittel sichern die Erträge der Landwirtschaft. Allein in Österreich bringen Bauern jährlich gut 4000 Tonnen auf ihre Felder und Plantagen aus. Sie greifen dabei auf einen Pool aus mehr als 1200 verschiedenen legalen Pestiziden zu. Kritiker warnen vor einem unkontrollierbaren Giftcocktail, der sich in der Natur und Nahrungskette anreichert. Produzenten bescheinigen den Insektiziden Unbedenklichkeit und pochen auf einen liberaleren Einsatz im Dienste der höheren Produktivität. Der Konflikt zieht tiefe Gräben durch die Branche. In Form eines kleinen gefräßigen Wurms verdichtet er sich nun wie unter einem Brennglas.

Schnellkäfer sind von jeher stete Begleiter der Erdäpfelbauern. Auf der Suche nach Feuchtigkeit bohren ihre robusten Larven mit Vorliebe Kartoffeln an. Die massive Trockenheit des Vorjahres trieb sie quer durch Mitteleuropa scharenweise in die Knollen, was die ohnehin schon geringeren Ernten zusätzlich dezimierte. In Österreich beklagten Landwirte Ausfälle von im Schnitt 30 Prozent, die mittlerweile in Supermärkten für Konsumenten spürbar werden.

In Ermangelung der österreichischen Ware greift der Handel einige Wochen lang vermehrt auf Importgemüse zurück – was Bauern dazu veranlasst, um mehr Sympathie für europaweit stark umstrittene Pestizide zu werben. Ziel ist es, den Druck auf die Politik für ihre Anliegen zu erhöhen.

"Bringen keine Biene um"

Mit drei Traktoren fahren Landwirte am Donnerstag auf dem Wiener Heldenplatz vor. Sie verteilen dort ihre, wie sie betonen, letzten Erdäpfel aus heimischem Anbau und drängen auf Erleichterungen bezüglich in der EU nicht länger zugelassener Spritzmittel, die heuer dem Drahtwurm großflächig den Garaus machen sollen.

Wollten die Österreicher Kartoffeln aus dem eigenen Land zu den gleichen Preisen wie bisher, führe an Pflanzenschutzmitteln kein Weg vorbei, betont Franz Wanzenböck, Obmann der IG Erdäpfelbau, die einen gewichtigen Teil der Branche vertritt. "Denn wer krank ist, der geht zum Arzt. Medikamente braucht es auch in der Landwirtschaft."

Kein Erdäpfelbauer bringe eine Biene um, es sei denn, sie werde vom Traktor überfahren, ist er sich sicher. "Denn Bienen fliegen auf keine Erdäpfelblüten." Das Pestizid gegen die Würmer werde direkt in den Boden eingebracht. In der Knolle selbst sei nichts von dem Wirkstoff zu finden.

130.000 Tonnen zum Verfüttern

130.000 Tonnen Kartoffeln haben die Bauern im Vorjahr aussortiert. Sie wurden zu Schweinefutter, Biogas und Stärke. Für den Lebensmittelhandel waren sie aufgrund schwarzer Löcher verloren, die Erträge der Bauern rasselten in den Keller. Chemische Mittel wie Goldor Bait und Mocap sollen helfe: Beide sind regulär nicht mehr zugelassen, dürfen aber über Notfallszulassungen in den Verkehr gebracht werden – ein Instrument, von dem die Landwirtschaft regelmäßig Gebrauch macht.

Helmut Burtscher, Experte von Global 2000, sieht dafür aber keine rechtliche Basis und gute Gründe für das Verbot. Das darin enthaltene Fipronil habe sich etwa in Bienenstöcken nachweisen lassen, sei hochtoxisch und reichere sich in Fettgewebe an. "Auch eine Anwendung über eine Notfallszulassung ist mittlerweile rechtlich nicht mehr gedeckt."

Kritik an Pestizidoffensive

Scharfe Kritik an der Charmeoffensive der Bauern für mehr Pestizide kommt auch aus den eigenen Reihen. Johann Ackerl, Biolieferant des Lebensmittelhandels für Feldfrüchte, sieht darin agrarpolitische Hysterie. Märkte seien volatil – schwankende Erträge regelten sich über den Preis letztlich jedoch selbst, sagt er. "Wir bauen ja auch keine neuen Atomkraftwerke, um CO2 einzusparen."

Wenig Verständnis hat er auch für den "Nationalismus", der rund um den Erdapfel gepredigt werde. "Was ist so schlimm an einer französischen Kartoffel?" Österreich juble über jedes Prozent mehr, das exportiert werde, rufe zugleich jedoch den Notstand aus, wenn Gemüse aus anderen Ländern Europas auf den Teller käme.

Zweierlei Maß

"Wir messen hier mit zweierlei Maß", gibt Johann Zaller, Ökologe an der Wiener Boku, zu bedenken. Er appelliert an ein generelles Umdenken der Landwirtschaft. Intensive Monokulturen hätten Drahtwürmer etwa geradezu gezüchtet. Zudem gebe es Erdäpfelsorten, die für ihn weniger anfällig seien.

Chemie allein sei keine Lösung, es brauche eine Summe an Maßnahmen, ist auch Roland Achatz, Sprecher der Agentur für Ernährungssicherheit, überzeugt. In der Ages werde an Prognosemodellen wie an pflanzenbaulichen Methoden und pilzbasierten Präparaten geforscht, um die Würmer besser in den Griff zu bekommen.

International unter Hochdruck gezüchtete gentechnisch veränderte Erdäpfel, die sich resistenter gegen Schädlinge und Klimakapriolen erweisen sollen, sind in der EU nicht zugelassen.

"Allergische Konsumenten"

Manfred Schauer, Chef der Eferdinger Landl-Erdäpfel, hält Drahtwürmer mit Bewässerung in Schach, auch "wenn uns manche dafür den Vogel zeigten". Doch im Osten Österreichs spiele es das aufgrund des tiefen Grundwassers nicht, er verstehe daher das Anliegen der Kollegen, sagt er. Helfen könnte der Markt, zumal in Deutschland Erdäpfel trotz größerer Anbaustrukturen teurer seien als in Österreich. "Doch die starke Konzentration des Handels lässt dies hier wohl nicht zu."

Ab Juni seien wieder genug österreichische Kartoffeln im Einzelhandel, ist Spar-Sprecherin Nicole Berkmann überzeugt. Spar habe Verständnis für die Probleme der Bauern. "Niemand schaut gern seiner Ware beim Kaputtgehen zu." Konsumenten reagierten auf Spritzmittel jedoch zusehends "allergisch", sprich sensibel – sie wollten naturbelassene Produkte. Tatsache sei allerdings auch, dass schrumpeliges, fleckiges Gemüse im Regal unangetastet bleibe. (Verena Kainrath, 24.4.2019)