Harald Vilimsky, FPÖ-Generalsekretär und EU-Spitzenkandidat seiner Partei, wetteiferte mit Armin Wolf in der "ZiB 2" im Kampf um wahrheitsgetreue Inhalte.

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Täglich grüßt das Murmeltier. Immer und immer wieder. Gerne lässt es uns wissen, dass gewisse Politiker allwissend und allmächtig sind. Aufgrund persönlicher Bildung können diese sogar bisherige wissenschaftlich bestätigte Expertenerkenntnisse kurzerhand für null und nichtig erklären. So auch im Fall des Norbert Steger, FPÖ-Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats. Steger lehrt uns dieser Tage: Hitler war kein Österreicher. Nein, nein, nein. Adolf Hitler war ein Deutscher. Ja, ja, ja. Ein Piefke also. Das klingt gut. Applaus.

Spinnen wir doch diesen Gedanken weiter, schlüpfen wir also in die abstruse Rolle eines Historikers der Zukunft, was natürlich ein Widerspruch per se ist. Es gibt jedoch Wirtschaftstreibende, die diese Bezeichnung tatsächlich für sich in Anspruch nehmen. Auch Steger könnte sich so definieren und in entsprechenden Foren auftreten. Auch er ist prädestiniert für das Thema "Machen wir die Zukunft zur Vergangenheit".

Folgen wir Stegers Logik, könnte also Hitlers Heimatstadt Braunau künftig nicht mehr österreichisch, sondern deutsch sein. Schade um den möglichen Gebietsverlust. Dafür jedoch wäre Österreich dann tatsächlich und endgültig Hitler los – diesen Adolf Hitler und dessen ideologischen Rattenschwanz in seiner Heimatstadt Braunau.

Schadensbegrenzung

Justament in Braunau geschah dieser Tage dem zukunftsorientierten Regierungsduo Kurz/Strache ein neues ideologisches Ungemach. Der "braune" Braunauer FPÖ-Vizebürgermeister Christian Schilcher hatte in einem eigens verfassten "Ratten"-Gedicht im Braunauer FPÖ-Parteiblatt Flucht bzw. Migration aus Sicht einer Ratte mit "Kanalisationshintergrund" beschrieben. Ekelhaft und widerwärtig.

Schadensbegrenzung war daraufhin seitens der Regierungspartei FPÖ angesagt. Schilcher wurde gefeuert – als FPÖ-Mitglied und als Vizebürgermeister von Hitlers Heimatstadt. Am 23. April, dem ersten Arbeitstag nach Ostern, räumte er seine Wirkungsstätten. Bundeskanzler Kurz war zufrieden, alles war wieder im Lot. Kurzfristig.

Noch am Abend desselben Tages gingen die Wogen wieder hoch. FPÖ-Wellenreiter Harald Vilimsky, seines Zeichens FPÖ-Generalsekretär und EU-Spitzenkandidat seiner Partei, wetteiferte In der ORF-Nachrichtensendung "Zeit im Bild 2" mit Moderator Armin Wolf im Kampf um wahrheitsgetreue Inhalte. Wolf gewann diesen verbalen Surfer-Wettkampf souverän: perfekt vorbereitet, ohne sichtbares Schwitzen, ohne vielsagendes Mienenspiel, ohne entsprechende Körpersprache oder gar aggressionsnahe Rhetorik. Säuerlich dankte dann zum Schluss Vilimsky vieldeutig für das nette Interview.

"Linke Netzwerke"

Worum ging es da in diesem immerhin fast zwölf Minuten langen Gespräch? Natürlich um den aktuellen Braunau-Fehltritt, der inzwischen auch im Parlament behandelt wird.

Thema Numero zwei war jedoch nicht minder bemerkenswert: ein Hetzbeitrag im Blatt des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) Steiermark. Ein Cartoon zeigt eine einheimische Familie im Trachtengewand, bedroht von finsteren Zuwanderern aus, wie es scheint, der arabischen Welt. Die Darstellung dieser "finsteren Gestalten" ähnelt erschreckend der Darstellung eines "Symbol"-Juden im einstigen Nazi-Hetzblatt "Der Stürmer". Beide Darstellungen wurden in der "ZiB 2" gezeigt und verglichen. Deren Parallelität war zutiefst erschütternd und schmerzlich.

Vilimskys erste Reaktion: Da seien linke Netzwerke am Werk, die dies propagandistisch ausgegraben hätten. Immerhin, so Vilimsky, sei dieser Cartoon vom RFJ Steiermark ja schon vor einem Jahr veröffentlicht worden. Das also weiß der Herr. Umso schlimmer.

Seitdem ist in Sachen ORF-Berichterstattung wieder Sturmflut angesagt. Man wolle nicht drohen, sei aber doch nachdenklich, so sinngemäß Norbert Steger in Sachen ORF-Zukunft. Natürlich ist auch dieser Sager eine Drohung. Mehr und mehr verstärkt sich der Eindruck, dass auch Bundeskanzler Kurz der ORF zunehmend schnurzegal ist. Hauptsache, die eigene Propagandaschiene ist erfolgreich.

Macht über die Berichterstattung

Demokratiepolitisches Fingerspitzengefühl – auch in Sachen Medienpolitik – ist von dieser Regierung kaum noch zu erwarten. Ihr geht es offensichtlich nur um Macht, inklusive der Macht über die Berichterstattung. Auch Kurzens enger ungarischer Freund und Nachbar Viktor Orbán grüßt gern von Budapest nach Wien.

Die Reaktion des Bundeskanzleramts auf den internationalen ROG-Index war jedenfalls ein fatales Signal. "Das Bundeskanzleramt sieht keine Einschränkung der Pressefreiheit", ließ die Regierung via APA als Reaktion auf das neue internationale Ranking von Reporter ohne Grenzen wissen. Ein Regierungsstatement, das auch als Bestätigung für die Treffsicherheit der ROG-Analyse interpretiert werden kann.

Warten wir ab, was in diesem Jahr sonst noch an Medienfeindlichkeiten auf uns zukommen wird. Vielleicht gar ein neues ORF-Gesetz, das das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet, amputiert und zu einem Staatsfernsehen mutieren lässt? Im kommenden Jahr wird es wieder einen Index zur Presse- und Informationsfreiheit von Reporter ohne Grenzen geben. Heuer ist Österreich um fünf Plätze abgerutscht – von Platz elf im demokratiepolitisch akzeptablen weißen Bereich auf Platz 16 im demokratiepolitisch bereits als bedenklich gekennzeichneten gelben Bereich.

Gefoltert und ermordet werden Journalistinnen und Reporter hierzulande gottlob nicht. Nichts deutet darauf hin, dass sich das ändern sollte. Freifahrten in den Tod verteilen allenfalls jene, die Asylansuchen von zum Beispiel afghanischen Journalisten ablehnen. Auch da wird sich wahrscheinlich leider nichts ändern. (Rubina Möhring, 25.4.2019)