Wenn die zehn Millionen Bewohner des westafrikanischen Kleinstaats Benin am Sonntag ein neues Parlament wählen, ist die eigentliche Entscheidung längst gefallen. Galt das Land bis vor kurzem noch als demokratischer Leuchtturm in der volatilen Region, droht es nun schon vor dem Urnengang einem neuen Autoritarismus anheimzufallen.

Auch Motorrad-Taxifahrer schlossen sich den Protesten gegen das neue Wahlrecht an.
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20.000 Menschen waren Mitte März in der Wirtschaftsmetropole Cotonou auf die Straße gegangen, um gegen den De-facto-Ausschluss der Opposition von der Wahl zur beninischen Nationalversammlung zu protestieren. Auf großen Plakaten führten sie ihre Parolen mit. "Nein zum Ausschluss", stand zu lesen, und: "Keine Wahl ohne die Opposition". Die Sicherheitskräfte gingen hart gegen die Demonstranten vor.

Nur zwei Parteien

Kurz zuvor hatte die Wahlkommission bekanntgegeben, dass von den sieben möglichen Parteien nur zwei zur Wahl zugelassen werden. Beide, also der Republikanische Block und die Fortschrittsunion, stehen dem starken Mann des kleinen, ehemals von Frankreich kolonisierten Landes nahe. Der Verfassungsgerichtshof hat den Coup von Präsident Patrice Talon wenig später perfekt gemacht: Der Einspruch der Opposition wurde abgelehnt.

Patrice Talon (li.) wird im Westen, hier konkret in Berlin, gerne empfangen.
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Talon, 60, ist seit zwei Jahren Staatschef, sein Land gilt vielen in Afrika als Hoffnungsträger, westliche Beobachter halten die politische Landschaft für relativ frei. Nach dem sozialistischen Experiment von Langzeitmachthaber Mathieu Kérékou in den 70er- und 80er-Jahren wechselte die Staatsspitze seit der Wende 1990 weitgehend friedlich.

Dieser Trend scheint seinen Zenit nun überschritten zu haben. Während bei der Parlamentswahl vor fünf Jahren noch 20 Parteien für die 83 Sitze im Parlament in Porto-Novo zur Wahl standen, wird am Sonntag erstmals seit drei Jahrzehnten kein Oppositioneller den Einzug in die Nationalversammlung schaffen.

Vorbild Ruanda

Talon, der sich selbst als Reformer nach Vorbild des ruandischen Präsidenten Paul Kagame bezeichnet, will mit der umstrittenen Verschärfung des Wahlrechts Klarheit schaffen. Der Staat, so Talons Kalkül, soll effizienter arbeiten, die bisher verkrusteten Parteien einfacher Mehrheiten bilden. Tatsächlich bestehen in dem bitterarmen Land von der Größe Österreichs aktuell mehr als 200 Parteien.

Ein Wahlplakat der Talon-nahen Fortschrittsunion.
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Kritiker werfen dem Präsidenten hingegen vor, ähnlich wie Kagame zunehmend auf Autoritarismus zu setzen – und die demokratischen Fortschritte in Benin zunichtezumachen. Im vergangenen Herbst hatte das Parlament zudem auch für die nächste Präsidentschaftswahl die Hürden höher gelegt. Umgerechnet fast 450.000 Euro an Rücklagen müssen Kandidaten für das Amt des Staatschefs künftig vorweisen, um antreten zu dürfen. Davor war es nicht einmal ein Zehntel.

Léonce Houngbadji, Gründer der oppositionelle Volksbefreiungspartei, nennt das neue Gesetz eine "Verschwörung gegen die Jugend" und prophezeit, dass Benin künftig ein Parlament der Reichen und einen "hypermächtigen" Präsidenten habe.

Ex-Präsident Boni Yayi ruft zu Umkehr auf.
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Einer der prominentesten Kritiker Talons ist dessen Vorgänger Thomas Boni Yayi, der Benin von 2006 bis 2016 regierte und international als integer gilt. In einer seiner raren Pressekonferenzen rief er Talon vergangene Woche auf, die Wahl zu verschieben. "Ohne die Opposition kann es keine Parlamentswahl geben", appellierte er an den Präsidenten. Bisher blieb seine Bitte ohne Gehör. (Florian Niederndorfer, 26.4.2019)