Von der EU-Wahl kann eigentlich nicht die Rede sein. Vielmehr sind es 28 einzelne Urnengänge, die zwischen dem 23. und dem 26. Mai darüber entscheiden, wer die Bürgerinnen und Bürger der EU in den kommenden fünf Jahren in Straßburg und Brüssel vertritt. Ein Überblick über Gemeinsamkeiten und nationale Unterschiede:

... 751 Abgeordnete

So viele Mitglieder hat das Europäische Parlament (EP) aktuell. Zusammen mit dem Ministerrat, in dem die nationalen Regierungen vertreten sind, ist das EP der Gesetzgeber der EU und entscheidet über das Budget der Union. Eine weitere Funktion des Parlaments ist die Kontrolle der Kommission und des Rats. Bleiben die Briten bis nach den Wahlen in der EU, ändert sich auch an der Anzahl der Sitze nichts. Treten sie aus, sinkt diese auf 705. 46 der 73 britischen Sitze werden dann zur Reserve für mögliche EU-Erweiterungen, die verbleibenden Sitze werden auf leicht unterrepräsentierte Länder verteilt. Darunter wäre auch Österreich.

Das Europäische Parlament in Straßburg: Aktuell sind es noch 751 Abgeordnete.
Foto: afp/FREDERICK FLORIN

... von Donnerstag bis Sonntag

Den Anfang machen Großbritannien und die Niederlande am 23. Mai. Am 24. Mai geht es in Irland weiter, am Tag darauf in Lettland, Malta und der Slowakei. Die Tschechen wählen gleich an zwei Tagen: Freitagnachmittag und Samstagfrüh. In den restlichen Mitgliedsstaaten öffnen die Wahllokale erst am Sonntag. Ein Großteil der Ergebnisse wird heuer erst am letzten Wahltag ab etwa 23 Uhr bekanntgegeben, wenn auch der letzte Italiener seine Stimme abgegeben hat.

... zum neunten Mal direkt

Und zwar seit 1979. Vorher wurden Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten entsandt. Die Zahl der Abgeordneten ist mit der Anzahl der Mitgliedsstaaten stetig gewachsen. Und auch die Kompetenzen des Parlaments wurden ausgebaut. Der Vertrag von Lissabon machte das EP zum gleichberechtigten Mitgesetzgeber. Österreicher durften seit dem EU-Beitritt 1995 fünfmal an den Wahlen teilnehmen.

... ungleich

Die Europawahlen sind allgemein, unmittelbar, frei und geheim. Gleich viel wert sind die Stimmen der rund 400 Millionen Wahlberechtigten aber nicht, denn jeder der 96 Abgeordneten aus Deutschland repräsentiert mehr als 860.000 der etwa 83 Millionen Einwohner. In Malta, dem Mitgliedsstaat mit den wenigsten Einwohnern, steht einer der sechs Parlamentarier dagegen für knapp 80.000 Inselbewohner. Im Parlament zählt trotzdem jede Stimme gleich viel.

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Zum bisher letzten Mal wurden EU-Bürger 2014 an die Urnen gerufen, hier im belgischen Lessines.
Foto: reuters/LAURENT DUBRULE

… ungern

Die niedrige Wahlbeteiligung ist EU-Vertretern schon lange ein Dorn im Auge. Seit der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament befindet sie sich im Sinkflug – von damals rund 62 Prozent hin zu knapp 43 Prozent im Jahr 2014. Im Vergleich zu nationalen Wahlen gelten die Wahlen auf EU-Ebene als "second-order elections". Warum Belgien mit knapp 90 Prozent und Luxemburg mit knapp über 85 Prozent Beteiligung aus der Reihe tanzen? Dort gibt es genau wie in Bulgarien, Zypern und Griechenland eine Wahlpflicht.

… nach dem Verhältniswahlrecht

Auf ein einheitliches Verfahren konnten die Mitgliedsstaaten sich nicht einigen. Deswegen mussten für die Wahl "gemeinsame Grundsätze" her: Das sind der Zeitraum der Wahlen, die Unvereinbarkeit von nationalen und europäischen Mandaten und die Verhältniswahl – die auch für Länder wie Frankreich und Ungarn gilt, die ansonsten nach dem Mehrheitswahlrecht wählen. Außerdem können in allen Mitgliedsstaaten auch EU-Bürger aus einem anderen Land wählen und gewählt werden. Außer in Bulgarien, Griechenland und Italien ist eine Stimmabgabe aus dem Ausland ebenfalls möglich. Alles Weitere ist national geregelt. So ist Österreich zum Beispiel eines der Länder, in denen die Wähler Vorzugsstimmen vergeben können.

… teilweise ohne Hürden

Spätestens zu den EU-Wahlen 2024 muss es in allen Mitgliedsstaaten eine Sperrklausel geben. Darauf hatten diese sich vergangenen Sommer geeinigt; doch in Bulgarien, Irland, Portugal, Dänemark, Spanien, den Niederlanden, Deutschland, Luxemburg, Slowenien, Estland, Malta und Finnland steht die Umsetzung der Regelung noch aus. Kleine Parteien haben so bessere Chancen, ins Parlament einzuziehen. In Deutschland zum Beispiel sind 41 Parteien zur Wahl zugelassen. In Österreich gilt mit vier Prozent dieselbe Mandatshürde wie bei Nationalratswahlen.

… in Österreich ab 16 Jahren

Damit ist Österreich in dieser Hinsicht Vorreiter. Denn nur in Malta kann sonst noch ab 16 Jahren gewählt werden, und zwar heuer zum ersten Mal. In allen anderen Ländern liegt das Wahlalter bei 18 Jahren – das EP würde dieses gerne EU-weit senken. Zur Wahl stellen können Kandidaten sich in Belgien, Bulgarien, Estland, Irland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Tschechien und Zypern erst ab 21 Jahren, in Rumänien ab 23 Jahren. In Griechenland und Italien müssen sie sogar mindestens 25 Jahre alt sein.

… weniger Frauen als Männer

Der Frauenanteil im EP ist von Wahl zu Wahl gestiegen. Anfang 1979 waren 16 Prozent der Abgeordneten Frauen, seit 2014 sind es fast 37 Prozent. Die Spitze belegt aktuell Finnland mit fast 77 Prozent. Schlusslicht ist Estland mit 17 Prozent. Von den 18 österreichischen Abgeordneten sind sieben Frauen.

… fast überall nur offline

Estland ist der einzige Mitgliedsstaat, in dem E-Voting, also eine Stimmabgabe auch im Internet, möglich ist. Seit der Wahl 2014 erarbeitete das EP einen Reformvorschlag, um die europäische Bedeutung der Wahl und die Beteiligung zu stärken. Ebenso wie ein einheitliches Wahlalter von 16 Jahren hatte das Parlament empfohlen, E-Voting in der gesamten Union zu ermöglichen. Bisher zeigten diese Reformbestrebungen keinen Erfolg. (Milena Pieper, 16.5.2019)