Über 50 Millionen Euro haben die Österreicher im vergangenen Jahr für Musikstreaming ausgegeben. Tendenz steigend.

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Mit Live Is Life hat die steirische Band Opus 1984 einen Welthit produziert. Irgendwo am Strand auf Ibiza soll dem Gitarristen die Melodie mit jenen drei Worten eingefallen sein, dessen Einnahmen seine Band noch heute gut leben lassen. Der Musikmarkt boomte damals, brach aber Anfang der Nullerjahre ziemlich ein: Illegale Downloads bereiteten der Musikindustrie Kopfzerbrechen, die CD-Verkaufszahlen stagnierten.

Nach rund 15 Jahren Depression scheint sich der Markt erholt zu haben. Letztes Jahr schrieb die Musikindustrie in Österreich zum zweiten Mal in Folge satte Gewinne. Sie folgte dabei nur dem internationalen Trend. Der weltweite Markt wächst seit 2014 wieder, und bald könnten die Einnahmen den Wert von 2001 erreicht haben.

Streaming boomt

Für diesen Erfolg verantwortlich ist hauptsächlich das Musik-Streaming. Seit 2016 hat sich der Anteil von Streaming an den Einnahmen der Musikindustrie in Österreich verdreifacht. Bei Angeboten wie Spotify sind Konsumenten wieder bereit, für Musik zu zahlen. Um rund zehn Euro monatlich kann man auf Millionen von Titeln zugreifen.

Der Streaming-Weltmeister Drake: Der kanadische Rapper ist der Spotify-Star: Er hält mit schätzungsweise 23 Milliarden Streams den Rekord in absoluten Zahlen. Wie viel Drake mit Spotify tatsächlich verdient, kann nur geschätzt werden. Angenommen Drake erhält 50 Prozent der Einnahmen seines Labels und das Label 80 Prozent jenes Betrags, den Spotify an den Vertrieb weitergibt, hätte er bisher an die 46 Millionen Euro über die Plattform eingenommen.

Allein im letzten Jahr haben die Österreicher durch Streaming 51,6 Millionen Euro in die Kassen der Musikindustrie gespült. Wie viel von diesem Geld tatsächlich bei den Künstlern landet, ist schwer zu sagen: Würde Opus ihren Hit Live Is Life heute produzieren, könnten sie von ihren Streaming-Einnahmen überhaupt leben?

Das Portal Spotify gibt an, pro Stream zwischen 0,6 und 0,84 Dollar-Cent an die Musikindustrie weiterzugeben. Die Single-Version von Live Is Life wurde bei Spotify rund 33 Millionen mal gestreamt. Das macht zwischen 200.000 und 280.000 Dollar, die Spotify für diesen Song ausbezahlt haben müsste.

Doch geht dieses Geld nicht direkt an die Künstler: Dazwischen gibt es einen Onlinevertrieb, der für die adäquate Bereitstellung der Inhalte zuständig ist, und Labels, die sich meist um die Produktion und Vermarktung der Musikstücke kümmern. Beide erhalten noch einen Prozentsatz der Einnahmen, Vertriebe oft bis zu 20 Prozent, Labels – je nach Vertrag – zwischen 85 und 50 Prozent jenes Betrags, den der Vertrieb weiterleitet. Die vierköpfige Band Opus würden dann von 200.000 Dollar nur noch zwischen 80.000 und 24.000 Dollar erreichen. Da sehen die Welthits plötzlich arm aus.

Die Großen profitieren

Anders die großen Labels wie Universal oder Sony: Sie gelten als die größten Profiteure vom Streaming. Laut einer Studie aus dem Jahr 2015 gehen in Frankreich mehr als 70 Prozent der rund zehn Euro, die monatlich für ein Spotify-Abo gezahlt werden, an die großen Labels. Ein geleakter Vertrag von 2011 zwischen Spotify und dem Musiklabel Sony zeigt auch, wie die "Majors" ihre Marktmacht nutzen: Spotify garantierte Sony Vorschüsse in zweistelliger Millionenhöhe.

Kleinere Labels haben es oft besonders schwer. Hannes Tschürtz, Gründer von Ink Music, einem Wiener Indie-Label, das heutige Größen wie Bilderbuch, oder Ja, Panik unter Vertrag hatte, spricht von rund 0,3 Cent, die bei ihm pro Stream ankommen. Das ist der Betrag, den er dann zwischen sich und den Künstlern je nach Vertrag aufzuteilen hat.

Dennoch sieht Tschürtz die positiven Seiten des Streamings: "Man muss die Orgel eben anders spielen", sagt er. Und: Der physische Vertrieb ist aufwendig, Einnahmen aus dem Streaming-Bereich versprächen hingegen ein zunächst niedrigeres, dafür aber längerfristiges Einkommen.

Das Überraschungsduo Leyya: Seit ihrem Debüt vor rund drei Jahren schwebt das in Wien ansässige Elektropopduo auf einer Welle des Erfolgs: Neben zahlreichen Auszeichnungen – u. a. Amadeus Award in der Kategorie Alternative – wurden ihre Lieder mehr als 15,6 Millionen Mal auf Spotify angehört. Ihr Label gibt an, bei 100.000 Streams 400 Euro zu verdienen. Die Hälfte davon geht an die Interpreten. So erhielt Leyya bisher an die 31.000 Euro von Spotify.

Eine weitere österreichische Band gilt als Spotify-Profi: Bilderbuch. Das Quartett hat es 2013 mit ihrer Hit-Single Maschin geschafft, auf vielfrequentierte Spotify-Playlisten nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in den USA zu kommen. Seither stimmen die Klickzahlen.

Von ähnlichen Erfahrungen erzählt Andreas Jantsch. Er ist Geschäftsführer von Las Vegas Records, das das österreichische Elektropop-Duo Leyya unter Vertrag hat. Ihr Lied The Fall wurde in Frankreich entdeckt und tauchte dort plötzlich auf mehreren Spotify-Playlists auf. Ohne spezielle Bewerbung schaffte The Fall an die 600.000 Streams. Umgerechnet bedeutet das für das Label an die 2400 Euro Einnahmen, die Hälfte davon gehört der Band. Bei insgesamt 15,6 Millionen Streams auf Spotify sind das kleinere Beträge. Trotzdem zeige The Fall, welches Potenzial Spotify hat, sagt Jantsch.

Blackbox Spotify

Wie man an Spotify rankommt, bleibt für viele Interpreten ein Geheimnis. Das schwedische Unternehmen gibt sich selbst äußerst verhalten, bei Anfrage weist das Unternehmen auf seine FAQ. Für den deutschsprachigen Raum gibt es ein fünfköpfiges Editorial-Board, das gleichzeitig die wichtigsten Spotify-Playlists kuratiert. Ein Label oder ein Vertrieb mit guten Kontakten zu diesem Kuratorium kann für die Interpreten überlebenswichtig sein.

Die Spotify-Profis Bilderbuch: Mit ihrer Single Maschin hat es die im oberösterreichischen Kremsmünster gegründete Popband einst geschafft, auf wichtige Spotify-Playlisten im In- und Ausland zu kommen. Insgesamt zählen sie momentan 82 Millionen Streams auf Spotify. Diese ergeben geschätzte Einnahmen in der Höhe von 164.000 Euro, für vier Bandmitglieder. Da die Band aber ihr eigenes Label gegründet hat, können die Konditionen stark variieren.

Abseits der Kontakte können Künstler ihre Songs online "pitchen". Dafür darf maximal ein Song eines Albums hochgeladen werden. Dieser wird teils von Algorithmen, teils von Mitarbeitern analysiert. Zudem füllen die Interpreten ein Dokument aus. Darin wird angekreuzt, ob der Song "Sunday-Chill-Mood" erzeugt, oder doch in die Kategorie "Party" fällt. Welches Editorial-Board des weltweiten Konzerts mithilfe welchen Algorithmus die eingesandte Musikprobe auf eine der heißbegehrten Playlists setzt, bleibt im Dunkeln.

Streaming als Promotion

Um die Einkommen aus dem Streaming-Markt zu beurteilen, sei es wichtig, diese nicht direkt mit CD-Verkäufen oder Downloads zu vergleichen, sagt Franz Hergovich von Mica – Music Austria, der Serviceorganisation für Musiker in Österreich. Viel eher könne man die Reichweite im Radio in Relation zu den Streams einzelner Interpreten setzen. Da seien die Einkommen auch nicht unbedingt höher.

Spotify müsse – ähnlich wie Radio – vor allem als Promotionplattform verstanden werden, meint Peter Tschmuck, Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Der Experte für Musikwirtschaft sagt, dass Labels heute vor allem für die Bedingungen sorgen müssen, die es den Interpreten erlauben, irgendwann "viral" zu gehen.

Obwohl Spotify nur für wenige das große Geld bedeutet, gibt es fast keine Interpreten, die den Streaming-Plattformen komplett entsagen wollen. Kurzzeitige Spotify-Boykotte wie jener von Taylor Swift im Jahr 2014 seien kalkuliertes Marketing, sagt Tschmuck. Die steigende Relevanz von Streaming bezüglich der Einnahmen der Musikindustrie ändere aber nichts daran, dass speziell für kleinere Bands Konzerte und Merchandising noch immer die Haupteinnahmequelle sind. (Laurin Lorenz, 26.4.2019)