So grob die fußballerischen Sitten in der "Gruabn" bisweilen auch waren, auf den Kickplatz ging man sonntags mit Krawatte.

Friedrich Fischer/SK Sturm

Jeder feindliche Kicker hatte sich – es muss in dieser steirischen Deutlichkeit angemerkt werden – vor der "Gruabn" in die Hose g'schissen.

Die Mannschaften, die nach Graz mussten, wussten, hier, an dieser Horrorstätte des Fußballs, konnten sie sich ihre technischen Spompanadeln an den Hut stecken. In der gefürchteten Arena des Sturm Graz, die heuer 100 Jahre alt wird, galten die Gesetze der Erde. Und die ist eben uneben, unberechenbar, unbarmherzig.

Gruabnkopfbälle.
Friedrich Fischer/SK Sturm

Herbert Prohaska erinnerte sich an sein Debüt in der "Gruabn" – korrekte Aussprache: "Gruam": "Was habe ich nicht im Vorfeld alles für Schauermärchen über die Gruabn gehört? Die Fans seien martialisch, das Spielfeld eng, die Sturm-Spieler überhart. Ich hatte gehörigen Respekt, als ich die Stufen auf den Rasen hinunterging."

Schon Jahre zuvor genoss die "Gruabn" ein herzerfrischend schlechtes Image. Als Sturm am 31. Mai 1953 gegen Rapid 3:3 spielte, knurrte Rapid-Verteidiger Ernst Happel beim Abgang: "Kummts nua auße aus eira Lahmgruam, daun wer mas eich scho zagn!" Happels "Lahmgruam"-Sager ist mitsamt der oft abenteuerlichen Historie dieses "Fetischstadions" (Ivica Osim) im Sturm-Buch dokumentiert, das Anfang Mai zum Anlass des 100. Geburtstags erscheinen wird.

Gruabnmassen.
Friedrich Fischer/SK Sturm

Bis 1997 spielte Sturm Graz in der "Lahmgruam", dann wechselte der Verein ins Liebenauer Stadion, das zwischenzeitlich auch "Schwarzenegger-Stadion" hieß, ehe die Namenstafel nach politischen Querelen wieder abmontiert wurde.

Sturm in Feierlaune

Die 100-Jahre-Gruabn-Feier fällt jedenfalls heuer mit "110 Jahre Sturm Graz" als Verein zusammen, was Anlass zu ausgiebigen Feierlichkeiten gibt. Im Mai gibt's eine Geburtstagsfeier, am Donnerstag wurde im Grazer Stadtmuseum eine so facettenreiche wie launige Gruabn-Ausstellung eröffnet, im Herbst folgen die Festveranstaltung und ein neues Leitbild. "Das Thema Gruabn samt Buch steht aber eindeutig im Zentrum", sagt Ausstellungskurator Martin Behr.

Die eigentliche Namensgebung geht übrigens auf Sturm-Trainer Gerd Springer zurück. Vor dem Match 1969 gegen die Austria wurde diskutiert, ob das Spiel nicht nach Liebenau verlegt werden sollte. "Das kommt gar nicht infrage, wir bleiben in unserem Reindl", erklärte Springer. Und sprach erstmals von der "Grube".

Gruabnfernsehen.
Friedrich Fischer/SK Sturm

Der damalige Sportreporter Otmar Behr von der Neuen Zeit war schließlich der Erste, der den Begriff "Gruabn" auch schriftlich in einem Spielbericht über den 1:0-Heimsieg 1969 gegen WSG Wattens festhielt: "Die 'Zumutungself' Wattens lockt auch in Graz die Zuschauer in Massen an, die 'Gruabn' am Jakominigürtel war randvoll, der Sturm-Kassier schwor beim Licht seiner Autolampe, dass es höchstens 9500 seien, aber der Scherzbold lächelte hernach selbst darüber."

Mehr als erlaubt

Denn man wusste, mehr durften polizeilich nicht auf den Platz gelassen werden. Darüber konnte sich auch der spätere Sturm-Präsident Hannes Kartnig heftig amüsieren: "Die Gruabn war eigentlich sensationell, die Stimmung, die Atmosphäre: Wödklasse. 10.000 Leute haben Platz gehabt. 13.000 haben wir manchmal reingebracht, damit wir Geld verdienen. Wenn da was passiert wäre, hätt' ich lebenslänglich kriegt."

Gruabntore.
Friedrich Fischer/SK Sturm

Die "Gruabn" und Sturm, da sieht der Literat Gerhard Roth sogar einen großen Kunstbogen hinein in die Weltliteratur: "Als ich in der Mittelschule erfuhr – inzwischen stand ich bereits auf der Stehplatz-Tribüne Nord –, dass ein berühmtes Theaterstück Der Sturm hieß und vom 'größten Dramatiker aller Zeiten, William Shakespeare', stammte, wie unser Englischprofessor erklärte, war ich begeistert."

Das Stadion am Rande der Grazer Altstadt, das noch vom 1.-Klasse-Verein GSC bespielt wird, hat sich bis heute in seiner Substanz kaum verändert. Die alte Holzkonstruktion blieb jahrzehntelang fast unberührt – wie eine Suche nach Relikten für die aktuelle Ausstellung deutlich machte.

In der alten Kantine stand noch ein verstaubter Pokal in der Vitrine. Mit eingraviertem Datum für den Turniersieg 1938. (Walter Müller, 26.4.2019)