Nicht nur Bundeskanzler Sebastian Kurz und eine Wirtschaftsdelegation aus Österreich führt die Seidenstraße nach Peking, auch der ungarische Premier Viktor Orban ist samt Entourage angereist.

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Die Neue Seidenstraße mag als breiter Weg angelegt sein. Für manche ist sie dennoch ein schmaler Grat. Darauf jedenfalls muss Bundeskanzler Sebastian Kurz auf dem zweiten "One Belt One Road"-Forum, das die chinesische Regierung an diesem Wochenende mit großem Brimborium ausrichtet, balancieren. Österreich ist einer der wenigen unter den knapp 40 Staaten, die auf der Ebene von Staats- oder Regierungschefs in Peking vertreten sind, die kein "Memorandum of Understanding" in Sachen Seidenstraße unterzeichnet haben. Dennoch ist die Republik zunehmend betroffen vom großen geopolitischen Projekt, mit dem Chinas starker Mann Xi Jinping versucht, die Macht der kommunistischen Mandarine global auszubauen.

2013 hat der chinesische Staatspräsident seine "Belt and Road"-Pläne vorgestellt. An die 1000 Milliarden Dollar sollten, hieß es damals, strategisch in Infrastrukturprojekte entlang der alten Seidenstraße und auch in Afrika investiert werden. Wie viel Mittel es in den vergangenen Jahren waren, weiß – im Westen zumindest – niemand so genau. Peking pries auf jeden Fall die Kooperation mit vielen Staaten und deutete entwicklungspolitische Ziele der Initiative an. Neben der in den vergangenen Jahren stark forcierten Reform und Aufrüstung der Volksbefreiungsarmee sind Neue Seidenstraße und die "Made in China 2025"-Politik allerdings vor allem als politische Soft-Power-Instrumente konzipiert, die China transformieren sollen – und nebenbei die globale Ordnung.

Weg von der US-Orientierung

Es geht um nichts weniger als einen veritablen geopolitischen Umbruch: "Mit der Initiative soll die weltweit wachsende chinesische Präsenz und Wirtschaftskraft ausgebaut und gleichzeitig die Welt von ihrer auf die USA und Europa zentrierte Orientierung der vergangenen 50 Jahre abgebracht werden", sagt etwa Tim Buckley, der Chef des Institute for Energy Economics and Financial Analysis in den USA.

Ähnlich sieht es mehr und mehr auch die Europäische Union. "Die Periode der europäischen Naivität ist zu Ende", erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor wenigen Wochen. Und wenig später legte die EU-Kommission ein Positionspapier vor, in dem China als "systemischer Rivale" bezeichnet wird – obwohl immerhin 13 EU-Staaten (darunter Ungarn, Polen, Portugal, Luxemburg und Griechenland) ein Seidenstraßen-Memorandum unterschrieben haben. Etliche davon kooperieren auch in der südosteuropäischen 17+1-Regionalkonferenz zunehmend eng mit Peking. Auch über Österreich kursierten Gerüchte, es könnte beim Forum einen ähnlichen Kooperationsvertrag mit Peking geben, für den zuletzt Italien viel gescholten wurde.

Viele Vorbehalte

Das ist tatsächlich nicht der Fall. Kanzler Kurz wird – apropos auf dem schmalen Grat dabei sein und doch Abstand halten – nur die gemeinsame Gipfelerklärung unterschreiben. Aber auch die war allerdings eine schwere Geburt, wie Diplomaten erklären. Es habe großer Mühe bedurft, die Gastgeber davon zu überzeugen, dass darin von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Anrainer der Seidenstraße die Rede sein müsse.

Genau in diesen Bereichen hapere es oft. Völlig im Dunklen blieben etwa die Konditionen, unter denen Kredite und Aufträge vergeben würden. Klar sei nur, sagen diplomatische Analysten, dass China mit der Initiative industrielle Überkapazitäten, überschüssige Devisen und Arbeitskräfte exportiere. Der US-Thinktank CSIS (Center for Strategic and International Studies) hat erhoben, dass 89 Prozent der Aufträge an chinesische Unternehmen gehen, sieben Prozent an lokale Partner im Auftraggeberland und der kleine Rest an Firmen aus Drittstaaten.

Brücken und Bahnstrecken

Österreich betreffen diese Aktivitäten ökonomisch zunehmend auf dem Balkan. Dort wollen etwa Ungarn und Serbien eine Bahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad von Chinesen bauen lassen. In Kroatien hat die chinesische Bridge and Road Corporation eine Ausschreibung für die Peljesac-Brücke gewonnen, deren Kosten von 435 Millionen Euro zu 85 Prozent von der EU finanziert werden. Die unterlegene Strabag hat Rekurs dagegen eingereicht. In Montenegro wollen die Chinesen ein Bauprojekt finanzieren, durch das das Land "in Schuldknechtschaft" geriete, heiß es.

Noch wird Österreichs Wirtschaft nicht im großen Stil verdrängt, aber man hat die Aktivitäten genau auf dem Radar. Kanzler Kurz formuliert es so: "Wir wollen, dass die Regeln der WTO reziprok gelten. China ist die stärkste Wirtschaft der Welt und kein Entwicklungsland mehr." (Christoph Prantner, 26.4.2019)