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Ist jede Kritik am Islam und an seinen Symbolen – etwa dem Kopftuch – und Praktiken bereits rassistisch?

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Wer definiert den "antimuslimischen Rassismus", fragen Universitätsprofessor Nikolaus Dimmel und Fachhochschulprofessor Roland Fürst im Gastkommentar, in dem sie auch die Qualität der Daten hinterfragen.

Eine selbsternannte "Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus" dokumentiert als eingetragener Verein einen Anstieg des "antimuslimischen Rassismus" von 2017 auf 2018 um 74 Prozent. Berichtet wird von verbalen Angriffen, Diskriminierung und "Hate-Crimes". Völlig unkritisch werden diese Informationen von den Medien übernommen und die wachsende Islamophobie prononciert in die Schlagzeilen gehievt. Derlei journalistische Unprofessionalität erstaunt aus drei Gründen.

Offene Fragen

Zum ersten stellt sich die Frage nach der Qualität der Daten, da der "antimuslimische Rassismus-Report" seine methodischen Grundlagen nicht offenlegt. Aus dem Report geht hervor, dass Betroffene in eine Art Datenbank selber Vorfälle eintragen. Diese Vorfälle werden nicht trianguliert: Weder wird den Beschuldigten Raum für Erwiderung gegeben, noch werden Dritte eingebunden. Eine objektivierte Ermittlung findet nicht statt, Informationen werden schlichtweg nicht überprüft. Bereits aus diesem Grund darf man die dramatisch vorgetragenen Erkenntnisse nicht kommentarlos übernehmen. Vielmehr stellen sich einige Fragen, die es zu beantworten gilt:

Wo ist das inkriminierte Verhalten "antimuslimischer Rassismus" tatbestandlich definiert, beziehungsweise wer definiert hier? Gibt es eine nachvollziehbare Grenzziehung zwischen "Kritik an der islamischen Religion" und "rassistischen Attitüden/Handlungen"? Oder ist jede Kritik am Islam, seinen Symbolen und Praktiken bereits rassistisch? Wie erklären sich Widersprüche des Reports bezüglich erfasster Strafanzeigen und Verurteilungen? Wie valide und verlässlich sind die eingegebenen Daten?

Staatsbürgerliche Tugend

Zum Zweiten stellt sich die Frage nach der denkmöglichen Existenz eines "antimuslimischen Rassismus". Auch die permanente Wiederholung dieses Slogans vermag den inhärenten Unsinn dieses Vorhalts nicht abzuschwächen. Religion und Rassismus haben nichts miteinander zu tun.

Religion ist als bürokratisierter Glaube ein ebenso biochemisches, anthropologisches wie soziales Phänomen. Alle Religion muss aufgrund ihrer habituellen Gewalttätigkeit (900 Millionen Menschen wurden im Namen einer Religion massakriert) rechtsstaatlich domestiziert und überwacht werden. Religionskritik ist staatsbürgerliche Tugend, sobald eine Religion politische Gestaltungsansprüche erhebt. Das gilt umso mehr für jegliche Religion, die den säkularen, auf individueller Freiheit und Gleichheit beruhenden Gesellschaftsvertrag attackiert.

Privatsache Religion

Religion ist Privatsache. Als Bürger der Zivilgesellschaft beziehen wir uns aufeinander als Citoyen, nicht als Gläubige, zumal 50 Prozent dieser Gesellschaft ohnehin nicht mehr an einen Gott glauben. Vielmehr muss umgekehrt ein Teil des Islams als religiöse Ideologie verstanden werden, die rassistisch argumentiert, wie der Rassismus arabischer Gesellschaften etwa gegenüber Immigranten aus Subsahara-Afrika oder der gewalttätige antisemitische Rassismus von Muslimen in Europa.

Der Rassismus hingegen ist eine biologistische Ideologie, die Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale (Gesichtsform, Hautfarbe) oder kultureller Merkmale (Nichtsesshafte) kategorisiert. Der Rassismus operiert mit der Vorstellung eines völkisch-geschlossenen sozialen Körpers. Rassistische Stereotype stellen die Existenzberechtigung sozialer Gruppen beziehungsweise Ethnien infrage, legitimieren Diskriminierung und Verfolgung. Rassistische Dispositive spiegeln sich vielfach im Habitus der Fremdenfeindlichen wider.

Notwendige Kritik

Zum Dritten basiert diese Gesellschaft auf der Meinungsfreiheit ebenso wie auf Gewissens- und Religionsfreiheit. "Hate-Speech" oder tätliche Übergriffe verletzen diese Freiheit, keine Frage. Die Meinungsfreiheit aber zielt auf den politischen Diskurs im öffentlichen Raum, während die Religionsfreiheit auf die Praxis eines Glaubens in Relation zu den Freiheiten aller anderen abstellt.

Wer in politischer Absicht Symbole im öffentlichen Raum nutzt, vor sich her oder auf sich trägt, die eine diskriminierende Ungleichbehandlung, Entwürdigung oder Instrumentalisierung von Personen oder sozialen Gruppen gutheißen, tut dies ohnehin nur im Schutze der Rechtsordnung. Solange nicht straf- oder verfassungsrechtliche Schranken erreicht werden. Er oder sie aber muss auch, ehe die Grenze des rechtlich Zulässigen erreicht ist, aushalten, dass derlei misogyne, rassistische oder antidemokratische Symbole und Praktiken öffentlich kritisiert werden. Dass solcherart Kritisierte auch im öffentlichen Raum beleidigt oder beschimpft werden, sind bedauerliche Einzelfälle, ändert aber nichts an der Zulässigkeit und Notwendigkeit zivilgesellschaftlicher Kritik an antidemokratischen Attitüden der Religiösen.

Politisches Manöver

Wer im öffentlichen Raum mit den Symbolen einer Religion posiert, in deren Namen andernorts Menschen enthauptet, gesteinigt oder versklavt werden, muss sich Kritik gefallen lassen. Dies als "antimuslimischen Rassismus" zu denunzieren ist nicht nur sachlich unangemessen, sondern ein durchschaubares islamistisches und hochpolitisches Manöver, worauf gerade Qualitätsmedien nicht hereinfallen sollten. (Nikolaus Dimmel, Roland Fürst, 26.4.2019)